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Archiv-Artikel

„Man macht Kompromisse“

Münteferings Benjamin: Lars Klingbeil (26) aus der Lüneburger Heide ist diese Woche als jüngster Abgeordneter in die SPD-Bundestagsfraktion nachgerückt. Er will die Wehrpflicht abschaffen und dafür sorgen, dass seine Partei soziale Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt

von Kai Schöneberg

taz: Warum ausgerechnet die SPD? Die sind ja derzeit noch langweiliger als die CDU!

Lars Klingbeil: Im letzten Jahr hatten wir definitiv keine Langeweile. Hartz IV und Agenda 2010 haben die SPD auf Trab gehalten. Die Folge waren Massenaustritte, massive Einbrüche bei den Wahlen und eine miese Stimmung in der Partei. Ich bin froh, dass das jetzt vorbei ist. Und ich will dafür kämpfen, dass die SPD die soziale Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt.

Wie sind Sie denn an die SPD geraten?

Als Stadtschülersprecher in Munster habe ich Veranstaltungen zur Bildungspolitik organisiert und mich dabei heftig mit dem damaligen Ministerpräsidenten Schröder auseinander gesetzt. Als mich dann die SPD fragte, ob ich nicht für den Stadtrat kandidieren wollte, sagte ich zuerst nur unter der Bedingung zu, dass ich nicht in die SPD eintreten muss.

Wann war das?

1996, da haben mir aber noch drei Stimmen gefehlt.

Da waren Sie ja erst 18!

2001 hat es dann geklappt. Aber ich bin schon vorher in die Partei eingetreten, weil ich gesehen habe, was die SPD vor Ort für junge Leute macht: volle Unterstützung für den Disco-Bus, volle Unterstützung für Open-Air-Konzerte.

Haben Sie schon mal demonstriert?

Ja klar: Gegen den Castor, gegen das Neonazi-Schulungszentrum in Hetendorf, gegen die Gegendemo zur Wehrmachtsausstellung damals in Hannover, ich war bei Luxemburg-Liebknecht-Demos in Berlin oder auf dem europäischen Sozialforum in London.

Schon mal jemanden zum Eintritt in die SPD bewegt?

Ein- oder zweimal. Aber das ist nicht das Wichtige. Junge Leute sollen sich überhaupt politisch engagieren, von mir aus auch in anderen Parteien.

Wollen Sie mit Ihrem Engagement ein Zeichen gegen Politikverdrossenheit setzen?

Bei den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg waren viele junge Leute auf der Straße. Es gibt also keine Politikverdrossenheit unter jungen Menschen, sondern eine Parteienverdrossenheit. Natürlich dreht man nur kleine Räder. Aber: Wer etwas durchsetzen will, braucht nun mal Parteien, wer geschickt agiert, kann hier viel erreichen.

Was kann denn ein Bundestagsabgeordneter erreichen?

Ich möchte viele Schulen und Jugendzentren besuchen. Und auf Themen setzen: Es gibt für die junge Generation eine gefühlte Wehr-Ungerechtigkeit: Deshalb müssen wir mit der Wehrpflicht Schluss machen, auch wenn Teile der Fraktion noch dafür sind. Vor zwei, drei Jahren gab es in der SPD noch eine Mehrheit für die Wehrpflicht, heute fast ein Patt. Erfreulich ist doch auch, wenn der Kanzler ankündigt, die Tobin-Tax (eine Steuer auf Aktiengewinne, die Red.) einzuführen. Das ist eine Forderung, die die Jusos und auch attac seit Jahren haben!

Sind Sie gerne Stimmvieh für Fraktionschef Müntefering?

Wieso?

Wegen des Fraktionszwangs.

Die Fraktion ist kein monolithischer Block. Es gibt genug Möglichkeiten, sich einzubringen: Das habe ich bereits diese Woche bei der internen Diskussion um die Nebeneinkünfte gemerkt. Gerade die Jungen in der SPD drängen auf mehr Transparenz. Aber: Natürlich muss man Kompromisse eingehen.

Schon mit dem Chef gesprochen?

Es gab ein kurzes Gespräch, in dem er mich wie ein Journalist fragte, woher ich komme und was ich vorhabe. Müntefering sagte, er sei auch mal als Nachrücker ins Parlament gekommen.

Wer gewinnt die Wahl 2006?

Rot-Grün. Wir haben die besseren Leute, die besseren Themen, die anderen haben nichts zu bieten.

Wie wollen Sie verhindern, bis dahin nur noch Phrasen wie diese dreschen zu können?

Wie soll ich es denn sonst formulieren? Schröder und Fischer sind momentan einfach das bessere Team. Natürlich sagen das auch tausend andere Leute – aber ich meine das auch so.

Fühlt man sich als Politiker nicht schnell als Außenseiter?

Weder meine Freunde noch meine Eltern sind politisch engagiert. Das hilft, normal zu bleiben. Deshalb muss man zwar viel erklären, aber viele freuen sich mit mir.