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Archiv-Artikel

„Zuschauer wollen keine Spaßturniere“

Gespräch mit Staffan Holmqvist, dem schwedischen Vizepräsidenten der Internationalen Handball-Föderation (IHF), über die morgen zu Ende gehende Weltmeisterschaft in Tunesien und die Perspektiven für die Zukunft

taz: Herr Holmqvist, die Handball-WM ist fast zu Ende. Wie hat sie Ihnen gefallen?

Staffan Holmqvist: Was das Sportliche angeht, so muss ich sagen, dass mir die Spiele, die ich gesehen habe, sehr gut gefallen haben, zumal es ja doch die ein oder andere Überraschung gab, man denke da nur an Tunesien oder die Griechen. So etwas tut dem Handball gut, und auch ich genieße das.

Wie sieht es mit dem Nichtsportlichen aus?

Da hat sich der tunesische Verband ein Lob verdient. Die Menschen hier verrichten ihre Arbeit mit großer Herzlichkeit und helfen, wo es nur geht. Eine solche Gastfreundlichkeit erlebt man nicht überall. Auch die Unterbringung der Mannschaften war vom Feinsten, da gab es kein Hotel, das nicht mindestens vier Sterne hatte. Bedauerlicherweise sind hier aber auch schreckliche Dinge passiert. Das Wetter zum Beispiel, diese Kälte hier. Darauf waren die Organisatoren leider nicht vorbereitet – und richtig peinlich war, dass es keine Heizungen in den Hallen gab. Ich hoffe nur, dass man aus solchen Dingen seine Lehren zieht.

Gilt das auch für den Ticketverkauf? Mehrfach waren Spiele offiziell ausverkauft und die Hallen dann doch nicht mehr als halb voll.

Stimmt, auch da müssen wir uns etwas überlegen. Wenn sich Fans ein Tagesticket holen und dann nur ein Spiel von dreien anschauen, dann ist es völlig logisch, dass die Halle nicht voll ist – und das, obwohl es draußen keine Tickets mehr zu kaufen gibt. Das ist in der Tat nicht im Sinne des Erfinders.

Besonders am Austragungsmodus gab es erneut heftige Kritik. Warum mussten unbedingt zwei so genannte Exoten in jeder Vorrundengruppe spielen?

Diese Frage muss sich die IHF in der Tat stellen. Auch ich bin der Meinung, dass wir in Zukunft schauen müssen, die Hauptrunde so schnell wie möglich beginnen zu lassen. Zu viele Partien wie beispielsweise die zwischen Deutschland und Katar schaden dem Ansehen der Sportart. Das ist einfach langweilig. So etwas will niemand sehen. Auf der anderen Seite muss man aber auch ganz klar sagen, dass Handball nicht ausschließlich eine europäische Sportart sein darf. Sonst stellen wir unseren olympischen Status in Frage.

Dennoch scheint es in der IHF mittlerweile ein Ungleichgewicht zu geben zwischen Ländern, in denen Handball sehr populär ist, und solchen, in denen er bisher kaum gespielt wird. Mehr noch: Länder wie Nigeria, wo es offiziell gerade mal drei Handballer gibt, verfügen in der IHF über die gleiche Stimmenzahl wie zum Beispiel Deutschland, wo knapp eine Million Menschen Handball spielen. Ist das gerecht?

Das ist Demokratie. In der UN hat ja auch jedes Land eine Stimme, egal wie groß oder reich es ist. Andererseits tut es auch mir leid, dass die Deutschen so wenig zu sagen haben in der IHF, in der Exekutive beispielsweise ist gar kein Deutscher vertreten. Das ist nicht gut, denn man darf nicht vergessen, dass der Welthandball den Deutschen sehr viel zu verdanken hat. Nicht zuletzt wegen der Bundesliga, in der zahlreiche Nationalspieler aus der ganzen Welt ihr Geld verdienen. Schon deshalb sollte Deutschlands Stimme in der IHF Gehör finden.

Zumindest was den Austragungsmodus der nächsten WM, die 2007 in Deutschland stattfindet, angeht, soll dies der Fall gewesen sein. Dort soll in der Vorrunde in sechs Vierergruppen anstatt in vier Sechsergruppen gespielt werden.

Das ist richtig – und auch gut so. Dann geht es zügig in die Hauptrunde, wo jedes Spiel entscheidend sein kann – und damit spannend wird.

Nicht neu ist, dass sich die Spieler aus den Handball-Großmächten über die große Belastung durch zu viele Turniere beklagen. In den vergangenen vier Jahren standen gleich fünf Großereignisse an. Kann das auf die Dauer gut gehen?

Dieses Thema ist eine heiße Kartoffel. Und die Europäische Handball-Föderation (EHF) hat bereits eine Arbeitsgruppe dazu gebildet. Fest steht allerdings: Die Vierjährigkeit der WM wie beim Fußball wollen wir nicht, dafür ist zu viel Geld im Spiel. Außerdem: Was wäre dann in den Zwischenjahren? Die Zuschauer wollen doch keine Spaßturniere; es muss schon um etwas gehen.

Man könnte beispielsweise Worldcup, Supercup und andere hochkarätige Turniere zu einer Art Grand-Prix-Serie zusammenfassen.

Das ist eine sehr gute Idee, mit der wir uns bereits beschäftigt haben. Aber schauen wir doch mal zum Eishockey oder zum Basketball. Da gibt es auch große Veranstaltungen im Jahreswechsel – und dort funktioniert es.

Herr Holmqvist, wie bei fast jeder WM gab es auch hier wieder zum Teil heftige Kritik an den Schiedsrichtern.

Wir geben offen zu, dass die Schiris hier teilweise kein WM-Niveau hatten. Es war manchmal richtig peinlich, was da gepfiffen wurde.

Wie kann man das ändern?

Indem wir Schiedsrichter und auch die Zeitnehmer besser schulen. Es gibt doch nicht nur im sportlichen Bereich, also bei den Mannschaften, ein großes Gefälle, sondern auch bei den Unparteiischen. Das ist doch völlig logisch.

Wie meinen Sie das?

In Europa wird jede Woche zweimal gespielt, in Afrika nur ab und zu. Es ist doch klar, dass die Schiedsrichter da nicht das gleiche Niveau haben können. Man darf das allerdings nicht den Gastgebern in die Schuhe schieben. Das ist allein Sache der IHF.

INTERVIEW: FRANK KETTERER