: Mit musikalischen Milizen
Gegen die schwarz-braune Jugendarbeit auf den Schulhöfen hilft keine aufrechte Schmusepädogik. Der Kampf um die Köpfe der Verführbaren wird mit Aufklärung gewonnen – und nicht mit Popmusik
VON ARNO FRANK
Die Manieren der NPD-Abgeordneten im sächsischen Landtag wird als Eklat, als „Weckruf“ (Horst Köhler), gar Störfall im reibungslosen Demokratiebetrieb gewertet. Hier sind wir, die „Aufrechten“ (Gerhard Schröder), dort die irgendwie Gebeugten, Krummen. Leute, die sich beispielsweise einer Gedenkminute für NS-Opfer verweigern.
Mit ihrer aufsässigen Haltung gegenüber demokratischen Ritualen erfüllen die NPD-Abgeordneten allerdings nur den Auftrag ihrer Wähler. Mehr als irrlichternde Schuldzuweisungen oder die Möglichkeit eines NPD-Verbots sollte uns daher interessieren, wer den Rechten seine Stimme gibt und warum – und was dagegen zu tun ist.
Nein, es liegt nicht an der von Edmund Stoiber konstatierten „Perspektivlosigkeit“, wie die Berliner Psychologieprofessorin Birgit Rommelspacher mit mehreren Studien belegt: „Ökonomische Notlagen“ seien „kein erhöhter Risikofaktor für rechtsextreme Einstellungen“. Bei den – stetig jüngeren – NPD-Wählern ist vielmehr eine geradezu spektakuläre Ignoranz historischer Tatsachen zu konstatieren. Wie viel Dummheit duldet Demokratie? Welche Werte liegen einer radikal rechten Wahlentscheidung zugrunde?
Die gut organisierte Rechte hat sich diese Fragen längst unter umgekehrten Vorzeichen gestellt und beantwortet – nämlich mit der Verteilung von einschlägigen Tonträgern genau dort, wo Sozialisation stattfindet, nämlich auf den Schulhöfen, nicht in den Klassenzimmern. Geködert wird nicht mit Politik, sondern mit Musik – also mit einem harmlos wirkenden Angebot zur Identifikation und Distinktion – also Abgrenzung.
Diese „schwarze Jugendarbeit“ funktioniert nicht über Agitprop und Manipulation, sondern macht sich mit dem jugendlichen Gestus des Aufbegehrens gemein und damit eine anthropologische Konstante zunutze: Verbotenes – sei es Sex, seien es Drogen, sei es Musik – ist in einem gewissen Alter schlechterdings cooler als Erlaubtes.
Was also ist zu tun? So gut und richtig es auch sein mag, wenn sich deutsche Künstler von Konstantin Wecker bis zu Seeed an Projekten wie „Bunte Vielfalt gegen braune Monokultur“ engagieren und, auf demselben Vertriebsweg wie die Rechten, auf Schulhöfen den Sampler „Aufmucken gegen rechts“ verteilen – es nutzt nichts.
In die gleiche Kerbe schlägt die DGB-Jugend mit ihrer Aktion „Gib dir eine Stimme“, einem Wettbewerb für Nachwuchsbands, der am 26 Februar starten soll: „Euren Texten muss man anhören, dass ihr euch mit eurer Umwelt und der Gesellschaft, in der ihr lebt, auseinander setzt – kritisch laut oder leise nachdenklich.“ Kritisch laut, könnte man meinen, setzen sich auch rechtsextreme Bands mit ihrer Gesellschaft auseinander. Dass rechte Musikanten dabei absichtlich nicht den guten Ton treffen, der im demokratischen Diskurs üblich ist, macht gerade den Reiz dieser Musik aus, die durch eine wohlfeile Mobilmachung „von oben“ nicht zu simulieren ist.
Im Gegenteil: „Rock gegen rechts“ wird nie das authentisch rebellische Potenzial entwickeln, das den Gegner so verführerisch macht – und sich ansonsten so lächerlich macht, wie es Ende der Siebzigerjahre die „Value Pistols“ als Antwort auf die Sex Pistols getan hätten. Aufklärung ist meist anstrengend, Aufklärung tut weh. Und Aufklärung lässt sich einfach nicht verpoppen.