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Archiv-Artikel

Die glücklich Unerreichbare

Begegnung Wer ist Miriam Meckel? Wissenschaftlerin? Lobbyistin? Anne Wills Redaktionsleiterin?

Miriam Meckel

■ Weg: Geboren 1967 in Hilden, Journalistin bei WDR, ZDF, RTL. Frühe Promotion, 1999 jüngste Professorin Deutschlands.

■ Aufstieg: 2001 als Parteilose Staatssekretärin und Regierungssprecherin des Landes NRW unter Wolfgang Clement (SPD). Mit Nachfolger Steinbrück kühlt sich das Verhältnis zur Macht ab.

■ Friede: 2005 erbt Meckel den Lehrstuhl von SPD-Vordenker Peter Glotz in St. Gallen. Im November 2007 klären Anne Will und Meckel via Springers BamS das, was längst nicht mehr geklärt werden muss: Sie sind ein Paar.

AUS ST. GALLEN JOHANNES GERNERT

Donnerstag, 16 Uhr, bedeckter Himmel über dem Bodensee. In ihrem Büro sitzt Miriam Meckel im V-Neck-Pullover, graue Hose, nur ganz leichtes Grau in den blonden Haaren. Ihr Institut für Unternehmenskommunikation sitzt in einem pistaziengrünen Bau, am Fuß des Universitätsbergs von St. Gallen.

Manche Studenten sagen, es sei ein recht linkes Institut – zumindest für St. Gallen, die Privatuniversität mit den guten Wirtschaftskontakten. Vielleicht liegt es daran, dass Meckel im Spiegel die Wirtschaftseliten für ihre Rückgratlosigkeit kritisiert hat. Sie kommt gerade von oben, aus einer Vorlesung. Sie ist freundlich und trotzdem reserviert, fast misstrauisch. Was will die taz?

Man könnte über vieles mit Miriam Meckel sprechen. Sie ist Kommunikationswissenschaftlerin, war jüngste Professorin Deutschlands, Journalistin, Medienstaatssekretärin von Wolfgang Clement und Peer Steinbrück. Sie ist Partnerin in einer Beratungsagentur – sogar Aufsichtsrätin bei der Commerzbank-Tochter Cominvest. Zurzeit publiziert die 41-Jährige viel zur Zukunft der Zeitung, zum Verhältnis von Print und Online. Manche sagen, sie sei auch heimliche Redaktionsleiterin von „Anne Will“, der Sendung ihrer Lebensgefährtin, jeden Tag würden sie Themen besprechen. Meckel schweigt zu ihrer Freundin.

Sie hat einen Blog (miriammeckel.de) mit der Unterrubrik „Pipifax“, auf dem sie etwa beschreibt, wie sich in Rom Nonnen im Vatikan vordrängeln. Sie erzählt dort aber fast nie, mit wem sie unterwegs ist: „Ich blogge auch durchaus aus einer sehr persönlichen Haltung heraus, aber es gibt Grenzen. Mein Privatleben liegt jenseits dieser Grenzen“, sagt sie.

Digitale Dunkelheit

Als sie vor vier Jahren nach St. Gallen kam, hat sie beschlossen, dieses ganze Internet-Ding mitzumachen – professionelles Interesse. Deshalb ist sie auf Facebook mit Kajo Wasserhövel befreundet, dem Wahlkampfmanager der SPD. „Es ist doch ganz wichtig zu wissen, was der Chefcampaigner der Partei macht, die jetzt im Internet richtig loslegen will.“ Meckel war in den USA, um Obamas Wahlkampf zu beobachten. „Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen lebt die deutsche Politik in der digital darkness“, stellt sie fest. Sie würde auch keinem raten: „Geh zu Twitter und mach wildes Zeug.“ Aber oft herrsche auch in der Kommunikation die Bürokratie. „Man sieht manchen Politikern an, dass sie lieber ein Fax schicken. Damit nutzen sie die Technologie, um sich von den Bürgern zu distanzieren, statt sich kommunikativ zu nähern, wie es über das soziale Netz möglich ist.“

Das Thema gefällt ihr. Sie erscheint jetzt weniger misstrauisch. Meckel twittert selbst, stellt morgens um sechs, wenn sie aufgestanden ist, manchmal lustige Handybilder auf Facebook, die sie irgendwo fotografiert hat.

Ist dieses ganze Getwittere und Geblogge nicht ein Widerspruch zu ihrem neuesten Buch „Das Glück der Unerreichbarkeit“? Es geht ihr aber nicht darum, alles abzulehnen, sondern bewusst damit umzugehen. Während sie spricht, vibriert im Rucksack unter ihrem Schreibtisch alle paar Minuten das Blackberry, ihr iPhone bimmelt dazu. Miriam Meckel reagiert nicht. Überhaupt gar nicht.

Sie wirkt nun noch entspannter. Kein schlechter Moment, um mit dem Thema zu beginnen, das ihr vielleicht nicht ganz so gut gefällt. Als vor drei Jahren über Finanzinvestoren und Medien debattiert wurde, hat sie im Rheinischen Merkur David Montgomery verteidigt, der den Berliner Verlag mit der Berliner Zeitung kaufte, und Haim Saban, den Investor, dem ProSiebenSat.1 gehörte. Beide finden heute in Deutschland nicht mehr statt. Montgomery hat sich überschuldet davongeschlichen, Saban seine Sendergruppe an andere Investoren weitergereicht. Muss sie ihre Position revidieren?

„Ich habe es damals differenziert gesehen, und so sehe ich es auch heute“, sagt Meckel. „Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, bei denen die Investoren ihre Anteile einige Jahre gehalten haben und dann wieder ausgestiegen sind – Hellman & Friedman beispielsweise beim Axel Springer Verlag.“ Das allerdings war auch keine Mehrheitsbeteiligung, das Sagen hatten andere. Eines jedenfalls glaubt Meckel weiterhin: „Die Diskussion über Medien-Finanzinvestoren war völlig undifferenziert. Jenseits der Fakten haben viele einfach mal draufgehauen.“ Die Debatte habe auf Medienseiten stattgefunden, sagt Meckel noch, geführt von Journalisten – und die seien natürlich parteiisch. Das Hans-Bredow-Institut aber, wahrlich kein Büttel des Kapitals, habe nach einer Untersuchung der drei damals von Finanzinvestoren geführten Medienunternehmen Sat.1, Kabel Deutschland und Premiere festgestellt: Es gebe sogar Beispiele, wo die vermeintlichen Heuschrecken im Gegensatz zu anderen Investoren die Personalquote erhöht hätten. „Man muss zumindest mal die Fakten zur Kenntnis nehmen“, findet Meckel.

Das gilt für ihre Person genauso. Meckel arbeitet nicht nur in St. Gallen, sondern hat auch ein Büro in Berlin, bei Brunswick, der „Strategieberatung für Kommunikation“ (Agentur-PR), die damals Montgomerys Mecom-Holding betreut hat. Die unabhängige Wissenschaftlerin als bezahlte Lobbyistin? Schon wenn man die Frage sehr vorsichtig formuliert, beginnt Miriam Meckel, sich zu ärgern. Ihre Stimme klingt jetzt schärfer, gereizt. Die Formulierungen dagegen werden unpräziser. Sie will dazu nichts Konkretes sagen. Hat sie selbst Montgomery beraten? Sie habe ihn ein Mal getroffen, so Meckel, und sich vor allem aus wissenschaftlicher Sicht für die Sache interessiert, eine kleine Fallstudie gemacht, zur Berichterstattung über Finanzinvestoren. Mit dem operativen Geschäft von Brunswick habe sie nichts zu tun. Sie hat Montgomery also selbst nicht beraten? Es wäre die Gelegenheit, einiges klarzustellen, aber Meckel laviert. Sie weicht aus.

Bei der nächsten konkreteren Nachfrage zum Rollenkonflikt zwischen der Professorin und der Beraterin unterbricht sie plötzlich. Sie ist nun wirklich wütend, ihr Gesicht rot angelaufen. Meckel sagt einen Satz, der sich anhört, als wolle sie sich von dieser ganzen Mecom-Geschichte jetzt ein für alle Mal distanzieren. Sie wird ihn anschließend nicht autorisieren. So wie sie überhaupt nichts zum Thema autorisiert. Aus Gründen der Vertraulichkeit, schreibt Meckel.

Es habe Spaß gemacht, schreibt Meckel am nächsten Tag, abgesehen von den Standardvorurteilen gegen Finanzinvestoren. Dazu ein Smiley

Warum regt sie sich in dieser Situation so auf? Strategische Abwehr eines PR-Profis? Wenn das so wäre, könnte sie sehr gut spielen. Sie wirkt wirklich aufgebracht. Sie wettert gegen die taz, die sie schon immer schlecht behandelt habe – weil sie etwa in der taz-nrw lange vor dem offiziellen Auftritt in Springers Bild am Sonntag vor anderthalb Jahren geoutet worden sei.

Das Gespräch muss anders weitergehen, damit es überhaupt weitergeht. Themenschwenk also. Damals hatte sie gefragt: Warum können Investoren von außen kommen und deutsche Medien übernehmen, nur deutsche Akteure hält das Kartellrecht davon ab? Sie kritisiert grundsätzlich: zu viele Player, Kommissionen, zu viel Standort-Hick-Hack. „Insgesamt ist die deutsche Medienpolitik inzwischen schlecht aufgestellt und argumentiert nicht mehr zeitgemäß. In Zeiten des Internets brauchen wir keinen Ansatz des öffentlich-rechtlichen Binnenpluralismus, um die öffentliche Meinungsbildung zu ermöglichen, das funktioniert längst anders. Ich habe jeden Tag den reality check durch den Kontakt mit meinen Studenten. Die leben längst in anderen Kommunikationswelten. Manch ein Medienpolitiker bräuchte mal ein mediales Raumschiff Enterprise: ‚Beam him up, so that he can see.‘“ – Meckel ist anzusehen, dass ihr der Satz gefällt. Und auch die Rolle, die dazu gehört. Sie freut sich über ihre wissenschaftliche Freiheit, sagt sie. In St. Gallen fühle sie sich ungeheuer wohl, diese Beschaulichkeit.

Eingebildete Angreifer

Sie ist jetzt wieder sehr nett, manchmal lacht sie. Vielleicht doch noch einmal Finanzinvestoren? Sie hat ein Buch herausgegeben, das sich mit der Berichterstattung über Investoren befasst, „Verkauft und nichts verraten“. Wenn sie die Berichterstattung über Josef Ackermanns Investment-Banking-Erfolge in FAZ und taz vergleicht, welche Haltung stünde ihr näher? Die Frage macht sie schon wieder wütend.

Vielleicht liegt es auch daran, dass Meckel häufig Angreifer wittert, weil sie Angriffe gewohnt ist. Sie hat als jüngste Professorin und junge Politikverkäuferin – Meckel war auch Regierungssprecherin – viele abbekommen. „Vergnüglich war das nicht“, sagt sie. Das taz-Interview dagegen hat durchaus vergnügliche Momente. Am Ende gibt es sogar eine Verabredung – zum Austausch von Satiretexten. Es habe Spaß gemacht, schreibt Meckel am nächsten Tag, abgesehen von den Standardvorurteilen gegen Finanzinvestoren. Dazu ein Smiley. Und der versprochene Link: eine gefakte Facebook-Gruppe der „World Leaders“. Mit Statusmeldungen wie: „Wladimir Putin ist jetzt Abba-Fan.“