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Archiv-Artikel

Der Neid auf Nachbars Acker

SUBVENTIONEN Ab Dienstag ist im Internet nachzulesen, wie viel Geld jeder deutsche Bauer von der EU bekommt. Die vielen Nullen machen einigen Angst

Streit um Transparenz

Subventionsdatenbank: In die EU-Agrarpolitik fließen über 40 Milliarden Euro pro Jahr. Als letztes Mitglied veröffentlicht Deutschland ab Dienstag die Direktzahlungen an Bauern im Internet.

Befürworter und Gegner: Eine Initiative setzt sich seit Jahren für die Veröffentlichung ein. Einzelne Landwirte klagten unter Berufung auf den Datenschutz. Auch Ministerin Ilse Aigner verzögerte.

VON LUISE STROTHMANN

Johannes von Niebelschütz mäht gegen den Neid. Im mecklenburgischen Dorf Cambs wird kein öffentlicher Grashalm länger als zehn Zentimeter – dann schickt der Gutsbesitzer einen seiner Mitarbeiter hin. „Als Landwirt übernimmt man automatisch Aufgaben für die Gemeinde, die sonst keiner machen würde“, sagt Johannes von Niebelschütz. Hier die Kirchwiese, dort die Grünfläche an der Bundesstraße – überall zeichnen sich feine, dunkle Streifen im Gras ab, Spurbreite: selbstfahrender Rasenmäher. So zeigt der 47-Jährige, dass ihm etwas liegt an seinem Wohnort, dass er nicht nur der Adlige ist, der hier 1991 das Gut gekauft hat. Derjenige, der offenbar Geld hat.

Die Rechnung geht schon heute nur leidlich auf. „Wahrgenommen wird das kaum“, sagt Johannes von Niebelschütz. Dass die Leute über ihn reden und was sie sagen, erfährt der Landwirt aus zweiter oder dritter Hand. „Der Bürgermeister erzählt mir zum Beispiel weiter, wie sich Menschen das Maul zerreißen. Meist geht es um Geld, das wir angeblich haben“, sagt er. „Das ist eine Form von Mobbing.“

Ab Dienstag wird es noch schwieriger. Dann kann man auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung seinen Namen in eine Suchmaschine eintippen und es erscheint „Gut Johannes von Niebelschütz, 19067 Cambs“. Und in der Spalte daneben „228.000 Euro“. So viel erhält der Familienbetrieb pro Jahr in etwa an Direktzahlungen der Europäischen Union. Nach langem Streit veröffentlicht auch Deutschland in der kommenden Woche als letzter EU-Staat die Daten.

„Das schürt den Hass“, sagt Friederike von Niebelschütz. Die Landwirtin schiebt ihr Fahrrad am Rondell vor dem Hofeingang entlang, das gerade ein Mann mit der Motorsense mäht. Mit acht Mitarbeitern bewirtschaftet die Familie 540 Hektar Land, 13 Kilometer von Schwerin entfernt, davon 100 Hektar Wald. Auf den Flächen wächst Getreide, Mais und Gras, aus dem Pferdefutter für den Hoflieferanten der englischen Königin wird. Vor den Lagerhallen steht ein grüner John-Deere-Traktor von der Höhe eines Lkws, am Auspuffrohr steckt eine Deutschlandfahne. „Die Leute sehen nur: Die fahren große Maschinen. Und jetzt sehen sie noch diese Zahl – aber sie können das in keinen Kontext einordnen“, sagt Johannes von Niebelschütz. „So wird eine Neiddiskussion aufgemacht.“ Auf der Internetseite werde umfassend über Subventionen für die Landwirtschaft aufgeklärt, argumentiert das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil, mit dem es im April die Klage eines Landwirts gegen die Datenveröffentlichung abwies. Das liest doch keiner, argumentiert Johannes von Niebelschütz.

Unter dem Namen „Initiative für Transparenz bei den EU-Agrarsubventionen“ setzt sich ein Bündnis von 36 Organisationen schon seit 2006 für die Veröffentlichung der Daten ein. Ihre Begründung: Die Agrarsubventionen sind der größte Posten im EU-Haushalt. Allein nach Deutschland gehen jährlich etwa 5,4 Milliarden Euro. Der Bürger habe ein Recht zu erfahren, wo das landet. Die Liste wird zeigen, was viele Verbände schon lange routiniert anprangern: Gerade von den Prämienzahlungen, dem größten Batzen, profitieren am meisten große Ackerbaubetriebe, die mit wenigen Beschäftigten viel Fläche konventionell bewirtschaften.

Der Kampf der Kleinen gegen die Großen. Mit einem Rumms lässt Aloys Tacke drei Plastikkisten mit Spargel auf den Dielenboden knallen. Der 42-Jährige ist auch Bauer, drei Kilometer entfernt von Cambs, auf der anderen Seite der neugebauten A 14. Aloys Tacke hat in den vergangenen Jahren einen großen Teil seiner Pachtflächen an einen größeren Nachbarbetrieb verloren. Jetzt sind noch 170 Hektar übrig. Darauf baut Tacke Biospargel an, konventionelles Getreide, Mais. Und Gladiolen, die er zum Selbstpflücken verkauft.

„Das ist sozialer Sprengstoff“

LANDWIRT ALOYS TACKE

Aloys Tacke hat keine Angst vor der Veröffentlichung. „Hier in einer Region, in der früher die meisten Dorfbewohner bei den LPGs angestellt waren, kommen durch die Veröffentlichung vor allem riesige Betriebe in Erklärungsnot, die kaum Mitarbeiter haben“, sagt Aloys Tacke. „Das ist sozialer Sprengstoff“ – und aus seiner Sicht nötig. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, bewirtschaften in 20 Jahren zehn bis fünfzehn industrielle Großbetriebe die gesamte Fläche von Mecklenburg“, sagt er und klopft seine Gummistiefel ab.

Aloys Tacke weiß längst, wie viele EU-Direktzahlungen seine Nachbarn bekommen. „Jeder Bauer, der die Regeln kennt, kann sich das ausrechnen.“ Hektaranzahl mal 304,80 Euro ist die einfachste Rechnung.

Über Höfe, die als Genossenschaften oder GmbHs geführt werden, findet Tacke im Internet-Unternehmensregister sogar noch weit detailliertere Informationen. Am Computer im Durchgangszimmer behält er die Großen im Auge, schaut, ob sie womöglich in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Dann könnte er ihnen vielleicht doch noch ein paar Hektar wieder abjagen. Für diese Art von Neid braucht es keine Subventionslisten.