: Blauer Brief für das Ausländeramt Ratingen
Die Bundesbeauftragte für Migration rügt die Stadt Ratingen für ihren Umgang mit Flüchtlingen. Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde wurde jetzt „aus Gesundheitsgründen“ versetzt. Er hielt die Kritik an seiner Arbeit nicht mehr aus
Ratingen taz ■ Für ihre gnadenlose Abschiebepraxis hat die Stadt Ratingen jetzt einen „blauen Brief“ aus Berlin erhalten. Die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marie-Luise Beck (Grüne) rügt darin die Abschiebung einer hochschwangeren Frau im Herbst 2004. Die Bundesbeauftragte fordert den Bürgermeister Harald Birkenkamp (Bürger-Union) unmissverständlich auf, „dafür Sorge zu tragen, dass die Ausländerbehörde bei schwangeren Frauen von einer Abschiebung absieht.“
Die Ratinger Ausländerbehörde will nicht nur schwangere Asylbewerberinnen loswerden. In den vergangenen Jahren hat sich damit einen Namen gemacht, mehrfach Flüchtlinge abgeschoben zu haben, die krank waren oder nach Operationen noch eine ärztliche Nachsorge benötigten. Flüchtlinge, die nicht abgeschoben werden konnten, wurden vom Amt schikaniert, damit sie freiwillig das Land verlassen. Bereits 1998 berichtete die lokale Presse, dass die Aufenthaltsgenehmigungen ansässiger Roma nur für wenige Wochen erteilt wurden.
In diesem Jahr kommen neue Schikanen hinzu: Allein im Januar wurde elf „geduldeten“ Flüchtlingen die Arbeitserlaubnis nicht verlängert. Die Stadt beruft sich dabei auf das neue Zuwanderungsgesetz: Asylbewerber, die ihre Identität „verschleiern“ oder nicht bei ihrer Passbeschaffung mitwirken, sollen nicht mehr arbeiten dürfen. Die Entscheidungsmacht darüber liegt neuerdings bei den Ausländerbehörden, früher durften sie nur über den Aufenthaltsstatus von Ausländern walten.
Pech für einen Flüchtling aus Sierra Leone, der als Dolmetscher für die Polizei arbeitete und jetzt staatliche Hilfe bekommt – Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz, die weit unter denen des Arbeitslosengelds II liegen. Seinen Job verlor auch ein abgelehnter Asylbewerber aus dem Iran, der bisher bei Burger King jobbte. „Er hat Angst, den Pass rauszurücken, weil er weiß, dass er dann abgeschoben wird“, sagte sein Chef Adrian Fichna der taz. Sein Mitarbeiter sei im Iran politisch verfolgt.
Als Fichna seinen Mitarbeiter vor zwei Wochen zum Ausländeramt begleitete, hätte einer der Beamten dort die Strategie der Behörde klar gestellt. „Wir werden ihm das Leben zur Hölle machen, damit er hier endlich abhaut. Und dann werden wir sehen, wer hier den längeren Atem hat.“ Fichna beschwerte sich beim Bürgermeister. Vergangene Woche wurde der Beamte versetzt. „Das war keine Strafversetzung, wir wollten ihn schützen“, sagt Stadtsprecher Peter Ueberdick. Der Mitarbeiter sei zusammengeklappt, die permanenten Anschuldigungen der Presse habe er „nicht mehr verkraftet“.
Die Ausländerbehörde halte sich an die Gesetzeslage, sie habe da überhaupt keinen Ermessensspielraum, so Ueberdick. Was Abschiebungen angeht, dürfe die Ausländerbehörde nicht selbst entscheiden, sondern die Bezirksregierung. „Die Städte führen nur aus“, sagt er.
„Die schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu“, sagt Manfred Evers von der Wählervereinigung „Ratinger Linke“. Die Bezirksregierung habe nur die formelle Aufsicht und segne wohl die Entscheidungen des Ausländeramts immer ab. „Die Ausländerbehörde hat immer einen Ermessenspielraum“, ist Evers sich sicher. Die Ratinger Linke forderte gemeinsam mit der SPD und den Grünen im Herbst vergangenen Jahres den frisch gewählten Bürgermeister auf, die Vorgänge im Ausländeramt zu untersuchen. Birkenkamp befand, dass dort „alles in Ordnung“ sei, berichtet Evers. Was spätestens mit dem blauen Brief aus Berlin widerlegt sein müsste.
NATALIE WIESMANN