: Begrenztes US-Engagement in Nahost
Außenministerin Condoleezza Rice fordert bei ihrem Besuch in der Region Israelis und Palästinenser zu konkreten Schritten auf. Ministerpräsident Ariel Scharon und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erhalten eine Einladung nach Washington
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Einen Tag vor dem Nahost-Gipfel in Scharm al-Scheich hat sich US-Außenministerin Condoleezza Rice befriedigt und optimistisch über die jüngsten Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Konflikt gezeigt. Gleichzeitig machte sie indes deutlich, was sie von beiden Seiten erwartet. Israel dürfe vor allem nicht unilateral agieren und damit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in den Rücken fallen. Stattdessen seien Maßnahmen zur Stärkung der Position von Abbas nötig. Von den Palästinensern erwartet Rice „maximale Anstrengungen“ vor allem mit Blick auf die Einstellung des militanten Widerstandes. Abbas bestätigte in dem gestern in Ramallah stattfindenden Gespräch gegenüber seinem Gast, dass er sich mit den verschiedenen Fraktionen auf einen Waffenstillstand geeinigt habe.
Die Regierung in Washington will in Kürze einen Sicherheitskoordinator in die Region entsenden. Seine Aufgabe wird es sein, den Waffenstillstand, der heute in Scharm al-Scheich vereinbart werden soll, zu überwachen. General William Ward soll zudem die Reformen der palästinensischen Sicherheitsdienste begleiten. Dabei geht es offenbar auch um die Ausbildung von Polizisten im Kampf gegen den Terror. Bei den politischen Verhandlungen beider Seiten soll er indes nicht teilnehmen.
„Frieden ist erreichbar“, meinte Rice bei ihrer abschließenden Pressekonferenz am Flughafen Ben-Gurion. US-Präsident George W. Bush sei entschlossen, alles zu tun, um die Gewalt zu beenden und eine Zwei-Staaten-Lösung herbeizuführen, betonte Rice, die Scharon und Abbas Einladungen ins Weiße Haus übermittelte. Doch allein die Tatsache, dass die USA bei dem Gipfel in Scharm al-Scheich nicht vertreten sein werden, weist darauf hin, dass Washington nicht vorhat, den Friedensprozess in einer Form mitzugestalten, wie es Bushs Vorgänger Bill Clinton getan hat. Clinton widmete im Sommer 2000 mehrere Wochen nahezu ausschließlich den letztendlich gescheiterten Verhandlungen in Camp David zwischen dem damaligen Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat und Israels Expremier Ehud Barak.
Rice, die am Sonntag unmittelbar nach ihrer Ankunft in Jerusalem zunächst die israelische Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besuchte und anschließend zu Beratungen mit ihrem Amtskollegen Silvan Schalom sowie Premierminister Ariel Scharon zusammentraf, forderte Israel „schwere Entscheidungen“ ab. Es könne nicht angehen, dass „Terrorgruppen den An- und Ausschalter des Friedensprozesses kontrollieren“, meinte sie mit Blick auf israelische Vergeltungsaktionen, die früheren Gewaltpausen ein Ende machten.
Ferner drängte sie ihre israelischen Gesprächspartner dazu, die Termine im Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen einzuhalten. Erst gestern hatte der neue israelische Koalitionspartner Judentum und Thora entgegen früherer Zusagen, auf ein Referendum zu verzichten, doch noch einen Volksentscheid in dieser Angelegenheit gefordert, was eine Verzögerung bedeuten würde.
Der geplante Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen sowie zunächst fünf weiteren Städten im Westjordanland steht unter anderem heute auf der Tagesordnung des Gipfels, der bereits überschattet wird von Terrordrohungen auch gegen Abbas. Die Vorbereitungsteams beider Seiten scheiterten zudem daran, eine Einigung über eine Amnestie der palästinensischen Inhaftierten zu erreichen.
Kernpunkt des ersten Gipfeltreffens zwischen Abbas und Scharon seit eineinhalb Jahren ist jedoch der Waffenstillstand, den die palästinensische Seite unilateral jüngst wiederholt publik machte. Israel hofft zudem auf eine Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu den Nachbarländern Ägypten und Jordanien. Beide Staaten hatten infolge der massiven israelischen Militäroperationen im Westjordanland ihre Botschafter vor drei Jahren aus Tel Aviv abberufen.