piwik no script img

Archiv-Artikel

„Sozialistische Zentralbank“

STREITGESPRÄCH Welchen Wandel braucht die Weltwirtschaft? Zwei junge Sichtweisen

Lukas Karnasch

■ 22, studiert Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. Dort ist er in der Liberalen Hochschulgruppe aktiv. Zudem sitzt Karnasch im Berliner Landesvorstand der Jungen Liberalen. Fotos: Julia Fritzsche

INTERVIEW FARBOD NEZAMI

taz: Herr Karnasch, gibt die Wirtschaftskrise den Globalisierungskritikern recht?

Lukas Karnasch: Die Ursache der Krise lag nicht in der Liberalität, sondern daran, dass es nie einen wirklich freien Markt gab. Machtcliquen, persönliche Verstrickungen von Politik und Wirtschaft sowie ungleiche Informationsverteilung verhindern eine freie Preisbildung. Zusätzlich wird der Leitzins zentral gelenkt. So kennt man das eher aus dem Sozialismus.

Fabian Steininger: Jetzt nach einem noch freieren Markt zu schreien halte ich für unhaltbar, denn der Finanzmarkt war der deregulierteste und umkämpfteste aller Märkte. Man kann ihn als Lakmustest für die Idee des freien Marktes verstehen. Genau dieser stürzt durch seine Selbstzerstörungskräfte nun die komplette Weltwirtschaft in die Krise. Die Krise wurde unter anderem durch die uneingeschränkte Mobilität des Geldes hervorgerufen. Wir brauchen also eine weltweite Börsentransaktions- und Devisenhandelssteuer, die sogenannte Tobinsteuer.

Lukas Karnasch: Das Problem an der Tobinsteuer ist, dass sie die Schwankungen an den Märkten verstärkt. Zudem sind die genannten Selbstzerstörungskräfte auch Selbstreinigungskräfte. Hätte man diese nicht künstlich verzögert, stünden wir nicht vor dieser großen Krise.

Welche Chancen tun sich dabei für Entwicklungsländer auf?

Fabian Steininger

■ 24, studiert Geschichte und Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Neben seinem Studium engagiert sich Steininger bei Attac als Aktivist in deren Jugendnetzwerk Noya.

Fabian Steininger: Sehr wichtig ist vor allem die globale Umverteilung, denn der freie Markt schafft starke Wohlstandsunterschiede. Um dem entgegenzuwirken, müssen nationale Vermögen- und Erbschaftsteuern eingeführt werden. Internationale Finanztransfers müssen besteuert werden. Es zeigt sich, dass jene Länder, die ihre Märkte geschlossen gehalten haben, eher profitieren als jene, die sich öffneten, denn die Gewinne aus den Investitionen in die Dritte Welt wandern zum Großteil wieder in die Industriestaaten.

Lukas Karnasch: Das wichtigste Stichwort hier ist: Hilfe zur Selbsthilfe. Man darf Entwicklungshilfe nicht von kurzfristigen Geldern oder Nahrungsmittellieferungen abhängig machen. Es müssen günstige Kredite vergeben werden. Denn nur so können dort Wirtschaften entstehen. Es ist auch vertretbar, wenn sich diese Länder am Anfang etwas abschotten, bis sich sozusagen die Knospe entwickelt hat. Anschließend muss man sich am Weltmarkt etablieren. Fabian Steininger: Der Westen selbst schottet sich doch bei vielen Gütern ab, beispielsweise bei Agrargütern. Durch Subventionen, die in Industrieländern gezahlt werden, ist ein Export für Entwicklungsländer gar nicht mehr möglich. Zusätzlich werden ihre eigenen, liberalisierten Märkte durch subventionierte Produkte zerstört.

Lukas Karnasch: Es bietet sich hier eine Chance zur Zusammenarbeit mit freien Märkten an. Dazu gehört auch der Abbau von staatlichen Subventionen und Schranken auf allen Seiten. Der dadurch entstehende Wettbewerb wäre auch für unsere Industrie förderlich.