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Archiv-Artikel

Trümmerleben zur Erbauung

DOKUSOAPS Sat.1 will jetzt auch mit Elend so viel Quote machen wie RTL und startet heute „Die Superlehrer“ (20.15 Uhr) und „Jugendcoach Oliver Lück“ (21.15 Uhr). Das ist weder originell, noch hilft es den Protagonisten

VON PEER SCHADER

Gute Nachrichten für Schlechtgelaunte: Wenn Ihnen der Elendsmittwoch bei RTL mit den verschuldeten Hartz-IV-Empfängern, den kaputten Familien und den verkorksten Teenagern nicht genug ist, hilft Sat.1 jetzt, Ihnen schon am Montag die Woche zu versauen. „Die Superlehrer“ und „Jugendcoach Oliver Lück“, die neuesten Beiträge zur Dokusoap-Schwemme im deutschen Fernsehen, fallen beide in dieselbe Kategorie, geht es doch hier wie dort um Problemjugendliche, die wieder auf den rechten Weg gebracht werden sollen.

Wobei: Dass RTL da überhaupt noch welche übrig gelassen hat, ist vielleicht das Erstaunlichste. Die Sendungen sind’s eher nicht.

Mit seinen Sozialsoaps von der „Super-Nanny“ über „Teenager außer Kontrolle“ bis zu „Raus aus den Schulden“ holt RTL in der Regel solide Quoten, da ist’s nur verständlich, dass Sat.1 gerne ein bisschen was abhätte. Die letzten Versuche gingen – trotz der Aufregung über die Sozialschnüfflerreihe „Gnadenlos gerecht“ – ziemlich daneben, wohl auch, weil sie in einer Harakiri-Planung direkt gegen die starke Konkurrenz gelaufen sind.

Bolten räumt Montag frei

Der neue Senderchef Guido Bolten hat jetzt den Montag freigeräumt, um einen neuen Versuch zu wagen. Und der klingt erst einmal ganz spannend: 16 Schüler, die es mit der Disziplin und dem Lernwillen bisher nicht ganz so eng gesehen haben, bekommen die Chance, innerhalb von vier Monaten ihren Hauptschulabschluss nachzumachen. Vier Lehrer und eine Sozialpädagogin sollen sie dabei unterstützen.

Obwohl Sat.1 vorab nur einen Rohschnitt der ersten Folge verschickt hat, lässt sich erahnen, dass „Die Superlehrer“ bloß konventionelles Dokusoap-Fernsehen wird. Das braucht nicht viel, um seine Geschichten zu erzählen: gegensätzliche Charaktere, ein bisschen Konfrontation – und Protagonisten aus einem Milieu, in dem man offensichtlich nicht beigebracht bekommt, dass es manchmal auch ganz gut sein kann, seine privaten Probleme aus der Glotze rauszuhalten. Falls das nicht reicht, sind die Problemschüler schon mal fein säuberlich auf ihre Kerneigenschaften reduziert worden: „Denise – von der Mutter verlassen“, „Marvin – das ADHS-Kind“, „Jessica – das Pummelchen“.

Dem Anspruch, mit den Sozialsoaps einen Teil zur gesellschaftlichen Debatte beizutragen, wie ihn RTL bei „Erwachsen auf Probe“ behauptet hat, können die Sendungen nicht gerecht werden. Allein schon weil sie zu sehr darauf ausgerichtet sind, zuzuspitzen, zu inszenieren – manchmal bis zu dem Punkt, an dem man vor dem Fernseher sitzt und glaubt, dass das alles ja wohl nicht wahr sein kann.

In seinem ersten Fall soll der kernige „Jugendcoach Oliver Lück“ dem arbeitslosen und alkoholabhängigen Sebastian aus Britz bei Berlin helfen, der keine Ausbildung hat, aber wegen seiner Gewalttaten bereits im Knast saß. Sebastian ist gerade mal 19. Vor seinen Freunden listet er stolz die Verletzungen auf, die er seinen Opfern zugefügt hat. Einen Anlass für seine Aggressionen gibt es nicht. Aber einen Grund: „Tut mir leid“, entschuldigt sich die Mutter, als sie zu weinen anfängt, während sie der Kamera davon erzählt, wie ihr Exmann sie geschlagen hat und Sebastian zusehen musste. Und Sebastian sagt: „Ich hasse meinen Vater sehr.“ Das sind Situationen, in denen man die Macher gerne mal fragen würde, ob sie ihre schlimmsten Erinnerungen und Ängste auch am liebsten vor laufenden Kameras besprechen würden. Aber so interaktiv ist das Fernsehen leider noch nicht.

Produziert werden die neuen Dokusoaps von Constantin Entertainment, das sich vermutlich wegen des verantwortungsvollen Protagonistenumgangs in über 200 „Frauentausch“-Folgen für die Sat.1-Weiterbildungsshow qualifiziert hat, und Vera Int-Veens Firma time 2 talk, die sonst RTL oder ProSieben mit „Helptainment“ versorgt. Bedarf gibt es im Fernsehen ja offenbar genug. Nur ob den Leuten wirklich geholfen ist, wenn ein paar Millionen gesehen haben, wie dreckig es ihnen geht, interessiert nachher keinen mehr. Man kann den Menschen mit den traurigen Geschichten nur raten, sich schleunigst vor dem nächsten Kamerateam in Sicherheit zu bringen.