piwik no script img

Archiv-Artikel

Manchmal leuchtet der linke Stern noch

Seit fast zwei Jahrzehnten ist der Bahnhof Langendreer das soziokulturelle Zentrum der Stadt Bochum und des Reviers. Es finden sich dort Stars des Kabaretts ein, aber auch Unbekannte finden Platz zum Klassentreffen in der neuen Veranstaltungshalle. Der politische Anspruch darf nie fehlen

Seit nahezu 20 Jahren ist das soziokulturelle Zentrum Bahnhof Langendreer in Bochum ein Ort für ein hochwertiges Kultur- und Politikprogramm, und manchmal leuchtet noch der alte Anspruch der Soziokultur hervor: Kultur nicht ohne Politik, Politik nicht ohne Kultur – und niemand soll sich dabei eine goldene Nase verdienen.

Neben den regelmäßig auftretenden Stars des bundesdeutschen Kabaretts und Comedy gibt der Bahnhof immer wieder dem Nachwuchs eine Chance: Sei es mit KabarettistInnen aus dem Revier, sei es, wie jeden Rosenmontag, mit dem Kinderkarneval des Zirkus Ratz Fatz vom Goethe-Gymnasium. Musikalisch liegt der Schwerpunkt seit den späten 90er Jahren im Bereich der „Weltmusik“ – auf dem afrikanischen Kontinent, auf Osteuropa und dem Orient. Die Konzerte mit den Stars der Szene werden regelmäßig vom Funkhaus Europa übertragen.

Ein inzwischen überregional etabliertes musikalisches Sommerevent ist die Veranstaltungsreihe „Odyssee der Kulturen“, die am Kemnader See stattfindet. Hier wird diesen Sommer in die Türkei geblickt. Neben zahlreichen monatlichen Erstaufführungen, bevorzugt im Original mit Untertiteln, stehen im „endstation.kino“ konzeptionelle Filmreihen, Werkschauen und Retrospektiven auf dem Programm. Abseits vom Mainstream wird der Blick auch auf selten Gezeigtes gelegt, wie bei „Das Land, in dem ich geboren bin“, der Ende Februar dort läuft. Ein Film über Rumänien, über den Osten und den Westen, über Gott und die Welt, über zwei Mönche und vier Rumänen, der vom Produzenten Hansi Beier persönlich vorgestellt wird.

Der politische Anspruch und der Wille zur politischen Intervention sind vielleicht das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zu vielen anderen Kulturzentren. Im Bahnhof Langendreer wird für breite kulturelle Teilhabe gestritten und Widerstand gegen aktuelle Verarmungsprozesse entwickelt. Es wird nicht nur die Kultur des Südens als gleichwertig und anregend verstanden, sondern es werden auch Ursachen der Verelendung diskutiert. Darum durchzieht eine Vielzahl von Diskussions- und Informationsveranstaltungen das Programm: Die Räume werden jeden Tag von unterschiedlichsten Gruppen genutzt. Muttersprachlicher Unterricht für Kinder, Flüchtlingsgruppen, Selbsthilfe- oder politische Gruppen. Aber auch Klassentreffen kommen in die neue Veranstaltungshalle studio 108.

Wenn aber wie zurzeit die neofaschistische NPD ihren Propagandafeldzug für die Landtagswahl vorbereitet, wird im Bahnhof Langendreer am Gegenentwurf gearbeitet. Mit Veranstaltungsreihen zum Antifaschismus und zur Erinnerungsarbeit, mit Filmreihen zum Faschismus, mit Weltmusik und Discos, bei denen rassistische oder frauenfeindliche Pöbeleien keinen Platz haben. Dann leuchtet er noch, der rote Stern über dem Bahnhof Langendreer.

ANSGAR SCHÖNEWALDT