: Kölner Standortvorteil wurde zum Nachteil
Die Landwirtschaft war für die Wirtschaft im römischen Köln viel wichtiger als Handel und Handwerk – bis die Germanen kamen. Eine Dissertation zur Wirtschaftsgeschichte unter den Römern kam zu neuen Ergebnissen und wurde jetzt mit dem Köln-Preis ausgezeichnet
Köln war in römischer Zeit eine der bedeutendsten Städte in den Nordwestprovinzen des Imperium Romanum. Im Gegensatz zum mittelalterlichen und neuzeitlichen Köln bestand die römische Stadt in rechtlich-administrativer Hinsicht jedoch nicht nur aus dem ummauerten Siedlungsareal mitsamt den vorgelagerten Handwerkervierteln. Es gehört auch ein Territorium dazu, das mehrere tausend Quadratkilometer umfasste und sich von Bad Breisig im Süden bis nach Krefeld-Gellep im Norden erstreckte bei einer westlichen Ausdehnung wahrscheinlich bis Aachen.
Ausgehend von der Frage nach den ökonomischen Grundlagen für die Blüte des römischen Colonia hat Historiker Peter Rothenhöfer in seiner jetzt mit dem Köln-Preis ausgezeichneten Dissertation die Wirtschaftsentwicklung des südlichen Niedergermaniens über einen Zeitraum von 500 Jahren einer genauen Analyse unterzogen. Im Gegensatz zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte konnte er nicht auf umfangreiche schriftliche Überlieferung in Form von Geschäftsakten oder Rechnungsbüchern zurück greifen. Auch bot die literarische Überlieferung der Antike nur sehr wenige Hinweise zu diesem Thema für den Kölner Raum.
Rothenhöfer griff deshalb auf epigraphische, numismatische und vor allem archäologische Quellen zurück. Dabei waren auch Heimatforscher behilflich. Seine Recherchearbeiten in den Archiven der Denkmalämter ergänzte Rothenhöfer durch Oberflächen-Surveys in verschiedenen Gebieten, bei denen Hobbyarchäologen zur Hand gingen. Auf diese Weise wurde die Entwicklung der unterschiedlichen Sektoren der Ökonomie wie Landwirtschaft, Bergbau, Handwerk und verschiedenste Dienstleistungen, schließlich auch die Geldwirtschaft und des Handels nachgezeichnet und die Bedeutung der jeweiligen Sektoren innerhalb der Gesamtwirtschaft heraus gearbeitet. Entgegen früheren Vorstellungen, die die wirtschaftliche und kulturelle Blüte der Provinzmetropole Köln maßgeblich auf die gewerbliche Produktion etwa in Töpfereien und Glashütten sowie auf den Handel zurückführten, konnte der Forscher jetzt die überwältigende Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion für den damaligen Wohlstand beweisen.
Nicht wenige Kölner Bürger dürften damals über Landbesitz in den äußerst fruchtbaren Lößbörden verfügt haben. Nachdem sich im Verlauf des 1. Jahrhunderts unter römischem Einfluss effektivere Bewirtschaftungs- und Anbaumethoden durchgesetzt hatten, war hier das Erzielen bedeutender Überschüsse möglich, die in die bevölkerungsreichen Zentren und an das römische Militär, das in beachtlicher Größenordnung entlang des Rheins stationiert war, verkauft werden konnten.
Waren die westlich von Köln gelegenen Lößbörden für die Agrarwirtschaft von außerordentlicher Bedeutung, so ließen sich in der Nordeifel diverse Bodenschätze, vor allem Metalle wie Eisen und Blei, sowie Stein gewinnen. „Bedeutende Lagerstätten im Raum Mechernich und bei Stolberg wurden kurz vor der Zeitenwende erstmals erschlossen“, so Rothenhöfer, „damit legten die Römer den Grundstein für nahezu 2.000 Jahre Abbauaktivitäten.“ Wahrscheinlich seien hier kaiserliche Bergbaubezirke eingerichtet worden, wobei der Abbau wahrscheinlich an Pachtgesellschaften und Großunternehmer vergeben wurde.
Kennzeichnend für das römische Handwerk ist die weitgehende Konzentration auf Köln und die zahlreichen kleinstädtischen bis dörflichen Siedlungen. Nur vereinzelt kam es zur Gründung spezialisierter Gewerbesiedlungen im ländlichen Raum. Konkret lassen sich mindestens zwei Dutzend Handwerksberufe nachweisen. Die eigentliche Zahl dürfte nach Einschätzung Rothenhöfers jedoch weitaus höher gelegen haben. Die Produktion war in der Regel auf die Deckung des lokalen beziehungsweise regionalen Bedarfs ausgerichtet. Dies gilt auch für die Kölner Keramik- und Glaswerkstätten, deren Bedeutung als „Exportindustrien“ bislang wohl weit überschätzt wurde. Stattdessen war der Handel mit Massengütern weitaus lukrativer. So ließen sich mit Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Salz, aber auch mit Wein immer gute Geschäfte machen.
Köln als Handelsplatz profitierte dabei fraglos von seiner Lage am Rhein. Nicht wenige Händler hatten sich auf bestimmte Güter oder den Warenaustausch mit gewissen Regionen spezialisiert. Enge Handelsbeziehungen entwickelten sich ins nördliche Niedergermanien, nach Britannien, Nordfrankreich und ins nördliche Obergermanien. Hinzu kommt der kaum quantifizierbare Austausch mit den germanischen Gebieten östlich des Rheins.
Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts profitierte die Region von ihrer Grenzlage, nicht zuletzt wegen der Stationierung von Militär, von dem in vielfältiger Weise Impulse für das Wirtschaftsleben ausgingen. Als aber der Druck und die Einfälle aus dem germanischen Raum in der Spätantike ständig zunahmen, entwickelte sich die geographische Lage zu einem deutlichen Standortnachteil. Insbesondere die Landwirtschaft konnte in diesen unsicher gewordenen Zeiten nicht mehr im selben Maß zur Wertschöpfung beitragen.
HOLGER ELFES