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Archiv-Artikel

Boykotteure vs. Gaskonzerne 1:0

Ein Beschluss des Heilbronner Amtsgerichtes bringt die Gaskonzerne in Schwierigkeiten. In einem Rechtsstreit könnten Versorger dazu gezwungen werden, ihre Kalkulationen offen zu legen

VON ELMAR KOK

Roswitha Köllner von der Bürgerinitiative „Gaspreise runter Ostwestfalen-Lippe“ freut sich. „Der Beschluss der Heilbronner Richterin schreibt wesentliche Punkte fest, die sonst immer von den Energieversorgern bestritten werden“, sagt die Paderborner Aktivistin. Ende vergangener Woche hatte das Amtsgericht Heilbronn in einem Verfahren zu Gaspreiserhöhungen festgestellt, dass der beklagte Versorger seine Kalkulation offen legen müsse, um die Preiserhöhungen vor Gericht zu rechtfertigen. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Gasversorger eine monopolartige Stellung am Markt einnehmen. Zwar gebe es in der Bundesrepublik einen Wettbewerb zwischen Öl und Gas, habe der Verbraucher sich aber einmal für eine Gasheizung entschieden, sei er wegen der hohen Investitionskosten „dem örtlichen Gasversorgungsunternehmen völlig ausgeliefert“, schreibt das Gericht.

Köllner gehört zu etwa 6.000 Verbrauchern, die nach Angaben von Eon Westfalen Weser zurzeit die erhöhten Preise für Gas nicht oder unter Vorbehalt bezahlen. Nach ihrer Einschätzung wird der Beschluss aus Heilbronn dazu führen, „dass Eon noch zögerlicher als bisher mit den Boykotteuren umgehen wird“. Denn den Gaskonzernen droht bei einer Klage gegen säumige Zahler die Offenlegung der Konzernkalkulation. „Momentan ist die Situation so, dass es faktisch zwei Tarife gibt“, sagt Köllner. Köllner schätzt die Gruppe der Zahlungsverweigerer höher ein, als das Unternehmen. 31.200 Musterbriefe seien von der Homepage der Initiative heruntergeladen worden, sagt sie. Aber selbst 6.000 Zahlungsverweigerer „sind schon zehn Prozent der Kunden“.

Jürgen Schröder, Jurist der Verbraucherzentrale NRW, sieht die Konzerne unter Druck. Je mehr Kunden die Preisaufschläge verweigerten, desto irrealer seien die kalkulierten Erträge durch das verteuerte Gas. Es könne sein, dass sich die Versorger durch den entstehenden wirtschaftlichen Druck zu Klagen gegen die Verbraucher durchringen. Allerdings „sind Musterverfahren momentan nicht prognostizierbar“, sagt Schröder. Denn den Konzernen sei nicht daran gelegen, ihre Zahlen zu internen Kalkulationen vorzulegen, vermutet Schröder. Ohne rechtliche Klärung gebe es allerdings momentan eine „ziemliche Ungerechtigkeit unter den Verbrauchern“. Denn „die einen Verbraucher zahlen den hohen Preis und die anderen nicht“.

Aribert Peters, Vorsitzender vom Bund der Energieverbraucher in Deutschland, hält den Status Quo in Nordrhein-Westfalen aus Sicht der Verbraucher momentan für ausreichend. „Der Boykott findet so lange statt, bis geklagt wird“, sagt er. Momentan hätten die Boykotteure ihr Ziel erreicht. Um den Streit über das teure Gas zu schlichten, gebe es genau zwei Möglichkeiten, sagt er. „Entweder die Konzerne klagen, oder wir klagen“, sagt Peters. Die zweite Möglichkeit fiele aber momentan schon einmal weg, denn „wir zahlen die Erhöhung ja nicht, warum sollten wir dann klagen?“, fragt Peters.

Die RWE Weser-Ems, die nach eigenen Angaben wenige Kunden hat, die nur unter Vorbehalt überweisen oder Rechnungen eigenhändig kürzen, sieht die Lage noch ganz entspannt. „Wir schicken den säumigen Zahlern dann einfach eine höhere Jahresendabrechnung“, sagt Klaus Schultebraucks, Sprecher der RWE-Gastochter. Weniger als ein Prozent der Kunden seien der Preiserhöhung nicht nachgekommen, sagt Schultebraucks. Immerhin fast 4.000 Haushalte im RWE-Versorgungsgebiet. Auf die Zahler, die vermerkt hätten, ihre Rechnung nur unter Vorbehalt zahlen zu wollen, werde das Unternehmen nicht reagieren, sagt der RWE-Mann. „Wir haben unser Geld ja bekommen“, sagt Schultebraucks.

Mittlerweile machen den Gaskonzernen aber nicht nur die privaten Verbraucher Ärger. Die Hertener Stadtwerke zahlen die Preiserhöhung, die die RWE Gas für den Stadtbetrieb veranschlagt hat, momentan nur unter Vorbehalt. Ob der Vorbehalt seitens der Stadtwerke geltend gemacht werden kann, ist allerdings fraglich. „Wir sind noch in Expertengesprächen“, sagt Sprecher Heinrich Kuhlmann.