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Archiv-Artikel

Passpflicht auch für Bürotürme

Neues Gesetz soll Energieverschwendung in Gewerbebauten drosseln. Mancher Glasbau frisst mehr Energie für Kühlung als für Heizung – und zehnmal mehr als ein Wohnhaus

FREIBURG taz ■ Die Glastürme moderner Bürohäuser mögen schön fürs Auge sein, für die Umwelt sind sie es meist nicht. Viele Bürotürme sind enorme Energiefresser und CO2-Schleudern. Ein neues Gesetzeswerk soll Architekten zur Räson bringen und Energieeffizienz vorschreiben. Die Bundesministerien für Bau und für Wirtschaft arbeiten derzeit an einem Gesetz, das die Gebäuderichtlinie der Europäische Union umsetzt.

Dabei werden zulässige Verbrauchswerte festgelegt. Zudem erhalten auch Zweckgebäude spätestens ab 2006 einen Energiepass, der aussagt, wie viel das Gebäude braucht. Wie bei Wohnhäusern wird der Energiepass zur Pflicht, wenn Bauten oder Räume vermietet oder verkauft werden.

Bisher können Planer von so genannten Nicht-Wohngebäuden in Deutschland fast ohne Rücksicht auf Energiestandards die schludrigsten Entwürfe realisieren. „Manche Glastürme brauchen noch mehr Energie für die Kühlung als für die Heizung“, kritisiert Felicitas Kraus, Gebäudeexpertin der Deutschen Energieagentur. Für neue Wohnhäuser gibt es hingegen seit über zwanzig Jahren Vorschriften, die den Energieeinsatz drosseln. Die immer wieder verschärfte Wärmeschutzverordnung, 2002 abgelöst durch die Energiesparverordnung, garantiert im deutschen Wohnungsneubau inzwischen recht solide Standards.

Da aber für Gewerbebauten kaum Vorgaben gemacht wurden, zeugen viele Objekte von architektonischer Unfähigkeit. Das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt hat das anhand einer Fallstudie kürzlich bestätigt: Bei der Untersuchung von 24 modernen Verwaltungsgebäuden habe sich gezeigt, dass der Energiestandard vieler Neubauten sogar hinter dem Niveau des 19. Jahrhunderts zurückbleibe. Die Wissenschaftler ermittelten jährliche Energieverbräuche von 300 bis zu 1.000 Kilowattstunden pro Quadratmeter. 1.000 KWh bedeuten umgerechnet 100 Liter Heizöl pro Quadratmeter jährlich. Zum Vergleich: Bei neuen Wohngebäuden sind nur sieben Liter erlaubt.

Derzeit arbeiten Experten unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in Stuttgart daran, wie man für Zweckgebäude den zulässigen Energieverbrauch bestimmen kann. Wie kann man die Energieverbräuche von Bürohäusern, Hotels, Kaufhäusern, Fitness-Studios und Hallenbädern vergleichen? Am Ende dürfte es, so ist aus dem Bundesbauministerium zu hören, etwa 30 Nutzungsklassen geben – mit jeweils eigenen Energiekennwerten.

Die Bundesarchitektenkammer begrüßt das geplante Gesetzeswerk „grundsätzlich“. Sie rechnet nun selber mit einem Wandel der Baukunst. Manchen Architekten dürfte das Gesetz dazu bringen, Bürohäuser wieder wie Bürohäuser zu bauen. Und nicht mehr wie Treibhäuser.

BERNWARD JANZING