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Archiv-Artikel

Den Knick kannste knicken

Der Knickerlass regelt in Schleswig-Holstein die Pflege des einzigartigen Ökosystems. Jetzt will das Umweltministerium die Regelung verschärfen, die Naturschutzverbänden zu lasch war. Der Bauernverband befürchtet das Schlimmste: Landwirte sollen selbst entscheiden, wie sie die Knicks beschneiden

von Eiken Bruhn

Knick, der (nd., von knicken): Gebüschstreifen, häufig auf Erdwällen, dienen der Feld- oder Flurbegrenzung, auch dem Windschutz.

Dieser Eintrag im dtv Lexikon könnte noch einen Zusatz vertragen: Schleswig-Holstein: Politikum, ➞ Knickerlass.

Um diesen streiten sich seit seiner Einführung Naturschützer und Landwirte, mittenmang das schleswig-holsteinische Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft, das es keiner Seite recht machen kann. Den einen ist der Schutz der Knicklandschaft, die es in dieser einmaligen Form nur im nördlichsten Bundesland gibt, viel zu lasch, die anderen schreien derzeit auf, weil sie eine „erhebliche Verschärfung“ der Vorschriften zur Knickpflege befürchten. Die Sorge des Bauernverbandes ist berechtigt: In vier Wochen will das von einem Grünen geführte Umweltministerium einen überarbeiteten Knickerlass mit den Verbänden und Kommunen abstimmen – sofern nicht mit der Wahl am 20. Februar eine neue Regierung zum Zug kommt.

Der zentrale Streitpunkt: Das Knicken des Knicks. Alle zehn bis 15 Jahre bekommt das Gebüsch aus Schlehe, Hainbuche, Hasel, Esche und Brombeere eine Verjüngungskur, dabei werden die Sträucher kurz über dem Boden „auf den Stock gesetzt“, von wo sie neu austreiben sollen. Das ist notwendig, damit die Gehölze nicht „unten rum“ kahl werden und der Knick ausdünnt. Größere Bäume wie Eichen dürfen nicht klein gemacht werden – doch darum scheren sich offenbar viele der beauftragten Unternehmen einen Deubel. Da wird fix mal ein ganzer Knick einfach runter rasiert, zürnt Fritz Heydemann, Knick-Experte beim Naturschutzbund Nabu. Die Folgen: Der Knick braucht länger, bis er sich wieder erholt hat, die Bäume wachsen nicht mehr nach, Tier- und Pflanzenarten verlieren ihr Zuhause.

Ein Dorn im Auge ist Heydemann auch der Einsatz der hydraulischen Knickschere, eine Maschine, die besonders viel Kleinholz in kurzer Zeit produzieren kann. Er habe Verständnis dafür, dass die zur Pflege der Knicks auf ihren Grundstücken verpflichteten Landwirte möglichst rationelle Verfahren anwenden. „Aber die Knickschere kneift die Triebe ab.“ Das Problem: Wenn eine Schnittfläche nicht glatt ist, können Keime leichter in das Holz eindringen und für Krankheiten sorgen.

Beim Umweltministerium weiß man um die Probleme. „Wir empfehlen das Verfahren, aber nur solange es ordnungsgemäß durchgeführt wird“, sagt Mitarbeiter Manfred Schmidt. Doch häufig seien die Scheren stumpf. „Dann muss nachgesägt werden.“ Diesen Auftrag müssen allerdings erst die Umweltbehörden vor Ort geben – und die kommen, so kritisiert Umweltschützer Heydemann, gar nicht mehr hinterher, genauso wenig damit, Ordnungsstrafen wegen unsachgemäßer Knickpflege zu verhängen. „Wo sollen die anfangen, wenn das einfach alle machen?“

Das trifft auch auf eine weitere Methode zu, mit der die Landwirte den ungeliebten Barrieren auf ihren Feldern zu Leibe rücken: Das Schlegeln. Gemeint ist die Methode, regelmäßig seitlich überstehende Zweige maschinell abzuschneiden, um die Felder mit den immer mächtiger werdenden Maschinen auch am Feldrand bearbeiten zu können. Der Knickerlass erlaubt dies – sofern ein vorgeschriebener Abstand eingehalten wird. „Ein Zugeständnis an die Landwirte“ sei diese Regelung gewesen, schimpft Natuschützer Heydemann. Schamlos ausgenutzt hätten sie diese. „Die meisten haben vom Knickfuß einfach hoch rasiert.“ Dieser Auffassung ist das Ministerium auch, zu oft sei die Regelung missbräuchlich angewandt worden, räumt Manfred Schmidt ein.

Beim Bauernverband fürchtet man deshalb, dass das Schlegeln komplett verboten wird. „Das ist keine nachhaltige Schädigung, es wächst wieder nach“, sagt Stephan Gersteuer, Rechtsexperte beim Bauernverband. Der Vorteil dieser Methode sei, dass man nicht jedes Jahr ran müsse. „Es geht hier um die wirtschaftliche Existenz der Landwirte“, sagt Gersteuer. Er fordert auch die Erlaubnis, einen Knick zu versetzen, um größere Felder und Weiden bewirtschaften zu können. „Das sind von Landwirten geschaffene landschaftliche Elemente und deshalb brauchen wir keinen von oben verordneten Erlass und Bußgeld-Androhungen.“

Zu sehr auf die Füße treten können die Behörden den Bauern nicht – denn diese müssen mitspielen, wenn man die Knicks erhalten will. Ein Anreiz sollten die mit öffentlichen Mitteln geförderten Holzheizkraftwerke sein, in denen Knickholz zur Energieerzeugung dient. Ein Dutzend größerer Anlagen gibt es in Schleswig-Holstein, außerdem werde ein Teil des Holzes in dänische Kraftwerke transportiert, sagt Nabu-Mann Heydemann. Doch diese neue Geldquelle hat zu einem neuen Problem geführt. „Es wird zu oft geerntet“, so die Beobachtung von Heydemann. Statt alle zehn bis 15 Jahre könne man jetzt beobachten, dass die Knicks alle fünf Jahre auf Minimalhöhe gestutzt werden – ohne Rücksicht auf Verluste und die vereinzelten Bäume. „Davon erholen sich langsam wachsende Sträucher nie wieder“, sagt Heydemann. Einzigartige Knicklandschaft? Kannste knicken, heißt es dann.