: Der Zug der Zeit
Debatte um Stadtbahn in Hamburg wird neu eröffnet. Auch Hamburger Einzelhandel kritisiert Senatspolitik. Grüne Bundestagsfraktionschefin Krista Sager verneint Bundesmittel für geplanten Bau der U4 in die Hafencity
Von Sven-Michael Veit
Die Schützenhilfe kam unerwartet, umso freudiger wurde sie angenommen. Mit „klarer Kritik“ an der Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik des Senats wartete Ulf Kalkmann auf: „Der Bau der U4 durch die Mönckebergstraße wäre eine Katastrophe für Wirtschaft und Arbeitsplätze in der City gewesen“, stellte der Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbandes klar. Und erntete den Beifall des etwa 60-köpfigen Publikums auf der Podiumsdiskussion der GAL über eine „Stadtbahn für Hamburg“ am Donnerstagabend im Alsterpavillon.
Zwar wolle er sich nicht festlegen, so Kalkmann, in der neu eröffneten Debatte über U4 oder Stadtbahn. Aber wenn Gutachter belegten, dass ein Stadtbahnnetz Kunden aus anderen Stadtteilen in die City locken würden, „wäre das der Hebel“. Dann, stellte er in Aussicht, „haben Sie den Handel auf Ihrer Seite“.
Sehr zur Freude von GAL-Verkehrsexperte Jörg Lühmann, der kein gutes Haar an der Senatsplanung einer U-Bahn in die Hafencity ließ. Mindestens 255 Millionen Euro drohten dort „vergraben zu werden“, so Lühmann. Das sei „eine Summe, die den Hamburger Etat auf Jahre belastet“. Und nur diesen, denn den vom Senat erhofften Zuschuss vom Bund „wird es nicht geben“, stellte Krista Sager klar.
Nach geltender Rechtslage müssen Verkehrsprojekte für eine Förderung „ein Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit nachweisen“, erläuterte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, „und das liegt bei Faktor 1“. Diese Balance zwischen Kosten und Nutzen jedoch biete die U4 eben nicht: „Die Hamburger Berechnungen weisen den Faktor 0,58 aus“, wusste sie zu berichten. Auf jeden investierten Euro mithin kämen Einnahmen von lediglich 58 Cent: „Die U4“, so ihre Schlussfolgerung, „ist ein extrem teures Projekt für zu wenige Fahrgäste.“
Einen „Fetisch mit Folgekosten“ gar nannte der bundesweit renommierte Verkehrsexperte Michael Wendt die Tunnellösung, denn die fehlenden 42 Cent müssten „jedes Jahr immer wieder aufgebracht werden“ – aus dem Stadtsäckel.
Und deshalb müsse eben die Stadtbahn wiederbelebt werden. Ein 42 Kilometer langes Netz von Altona und Niendorf nach Steilshoop und Rahlstedt sowie vom Flughafen via Stadtpark und Uhlenhorst in die Hafencity schwebt Lühmann vor (siehe Abbildung). Die Kosten lägen bei etwa einer Viertelmilliarde Euro – genauso viel, wie der Senat für die knapp vier Kilometer U4 vom Jungfernstieg in das neue Quartier hinter der Speicherstadt ausgeben will. Ein Plan mit einem Kosten-Nutzen-Faktor „von etwa 1“, wie Wendt „überschlägig berechnet“ hat. Und der deshalb laut Sager auf Bundesmittel rechnen dürfe, „was die Sache für Hamburg verbilligt“.
Ein alternativer Vorschlag der „Initiative Moderne Straßenbahn“ sieht zudem die Anbindung von Osdorfer Born, Neumühlen und Wilhelmsburg vor: 79 Haltestellen, 27 Umsteigepunkte an U- und S-Bahnhöfen für etwa 300 Millionen Euro. Ein Konzept, dem die GAL „aufgeschlossen“ gegenüberstehe, wie Lühmann versichert. Man müsse das aber noch „konkret durchkalkulieren“.
Eine Stadtbahn sei, da ist sich Sager sicher, „ein modernes, effizientes, wirtschaftliches und ökologisches Nahverkehrsmittel“, das zeige ihre Neueinführung in Metropolen wie Paris, Stockholm oder Athen in jüngster Vergangenheit. Nur Hamburgs CDU-Senat drohe „den Zug der Zeit zu verpassen“.