Chronist des Opfers

Zur Passionsgeschichte verknappt: Marc Rothemund erzählt „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ im Wettbewerb

Das Gute hat es im Kino schwer. Die Bösen sind facettenreich, widersprüchlich, faszinierend und verführerisch. Das Gute verführt niemanden. Es ist meist vorhersehbar und neigt zur Eindeutigkeit. Das Böse tritt als Körper in Erscheinung, das Gute als Idee oder Moral, was naheliegenderweise etwas kompliziert in Bilder zu übersetzen ist. Warum ein Film über Sophie Scholl?

Marc Rothemund hat das Problem, dass das Gute im Kino von Langeweile bedroht ist, mit zwei Strategien zu lösen versucht. Er zeigt die Ereignisse wie ein Chronist: Sophie Scholls Verhaftung am 18. Februar 1943, die Verhöre, den Schauprozess und die Hinrichtung am 22. „Sophie Scholl“ ist ein reduzierter Film, sparsam mit Musik, visuellen Aufhellern, ganz und gar fokussiert auf das mädchenhafte, ernste Gesicht der Hauptdarstellerin Julia Jentsch. Jentsch tut nie mehr als nötig. Ein paar Tränen beim Abschied von den Eltern, ein Blinzeln in die Sonne beim Gang zum Schafott. Im Zentrum steht ihr konzentrierter Blick auf das, was mit ihr geschieht.

„Sophie Scholl“ lebt weniger durch Bilder als durch Worte, vor allem den kammerspielhaft inszenierten Disput mit dem Vernehmungsbeamten Mohr. Mohr ist ein kalter Bürokrat, an ihm ist nichts Diabolisches, er tut, was vorgeschrieben ist. „Sophie Scholl“ verlässt sich auf das Gesicht von Julia Jentsch und die Wucht der Geschichte. Er bleibt bei den Fakten – nur dass Sophie durchaus Namen anderer Widerstandskämpfer im Verhör nennt, wird unnötigerweise verschwiegen. Ansonsten fügt „Sophie Scholl“ den Geschehnissen wenig hinzu. Kaum kinematografische Effekte, keine zusätzlichen Spannungsbögen.

Gerade wegen dieser Bescheidenheit wirkt der Film, wo Rothemund die Rolle des Chronisten verlässt, umso heftiger. Einmal sieht man Sophie, die nachts in der Zelle fast verzückt den Lichtern von Flak und Bomben zuschaut. Ein anderes Mal schaut sie kurz vor ihrem Tod auf eine Jesusfigur an der Wand. In solchen Momenten erscheint sie als Märtyrerin, die ihr Schicksal annimmt. Und das Opfer ist, anders als das Gute, eine Kinofigur.

Kein Missverständnis: Marc Rothmund ist nicht Lars von Trier, und „Sophie Scholl“ übersetzt die Geschehnisse nicht in eine christliche Ikonografie. Aber gerade durch das Zurückgenommene, Reduzierte, erzählt er am Schluss eine Passionsgeschichte. STEFAN REINECKE

„Sophie Scholl – Die letzten Tage“, 14. 2., 12 + 21 Uhr, Urania; 20. 2., 12 Uhr, Berlinale Palast