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Archiv-Artikel

Belin ist eine leise Welt

Oder sollte es heißen: Berlin ist eine Reise wert? Die Kommunikation mit dem wieder erwachenden China ist eine Herausforderung – Berlin hat gute Karten, aber zu wenig Ideen beim Run auf Beijing

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Dass der „berühmte“ Fußballer Zheng Zhi im November ein Probetraining bei Hertha BSC absolvierte, ist einstweilig der Höhepunkt deutsch-chinesischer Beziehungen gewesen. Seit dem ist Funkstille. Dabei hätte Berlin den neuen Machern im Fernen Osten einiges zu bieten. Schließlich hat die Spreemetropole eine Stadtautobahn, auf der die neuerdings durch Deutschland brausenden Chinesen gerne mal Gas geben könnten. Doch Halt, da gibt es ein Tempo-100-Limit.

Tja, wie auf der Avus, so scheint es im China-Flirt allgemein zuzugehen. Hier gibt es jede Menge China-Wissen, rund 10.000 ChinesInnen leben hier, sogar eine Konfuzius-Statue steht im Chinesischen Garten in Marzahn, doch der Zug in Richtung Beijing kommt nicht so richtig in Fahrt.

Warum, das wollten Studierende der Universität der Künste (UdK) mal genauer wissen und luden am Freitag zu einem Symposium über die „Praxis der interkulturellen Zusammenarbeit Berlin/China“ ein. Schließlich gehört ihr Fach, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation, angeblich zu den Boomfächern dieses Planeten. Die „Creative Industries“, so heißt es, sollen zum „Hoffnungsfeld in der Wirtschaftspolitik“ geworden sein. Das leuchtet ein, schließlich kann Berlin das Reich der Mitte weder mit leckerem Bier noch mit selbst gebauten Autos beeindrucken. Da muss also die Hauptstadtkultur her!

Die sei auch ein hervorragender „door opener“, meint Stefan Karl, selbst UdK-Absolvent und Mitbegründer der Shanghai Berlin Network für Kommunikation AG. In China lasse sich Berlin prima als „Hauptstadt des neuen Europa“ vermarkten, „um mal die positiven Seiten zu betonen“. Die Stadt mittendrin. Das komme gut an, da Berlin als Kapitale des insgesamt bewunderten „Deguo“, des Landes der Tugenden, wie Deutschland auf Chinesisch heißt, einen guten Ruf habe. Was aus der Provinz kommt, gilt in China wenig – frei nach dem Motto, wer es nicht in die Hauptstadt schafft, taugt wohl nichts.

Viel schneller als die Deutschen selbst hätten die Chinesen verstanden, was Berlin als Hauptstadt für Deutschland leisten kann, meint Alexander Ochs, der eine Galerie in Berlin und Beijing betreibt (siehe Interview). Dass Berlin das Chinafieber verpasse, stimme ja so nicht, beruhigte hingegen Alexander Voegele von der Wirtschaftsförderung Berlin International. Immerhin lade Berlin die chinesischen TU-Absolventen in Peking manchmal zum Essen ein. Und Berlin habe als einzige deutsche Stadt eine Webpage auf Chinesisch. Auf der stehen unter „Januar“ so einladende Events wie „Mehrsprachige Infobroschüre ‚Das neue Aufenthaltsrecht, Fragen und Antworten zum Zuwanderungsgesetz‘ erschienen“.

Beijing ist Berlins Partnerstadt in einer Beziehung, die hauptsächlich aus Juristenschulung und Klärwerkseröffnungen besteht, die Berliner Firmen in China bauen. Das soll man nicht für gering erachten, doch wo die Kultur da selbstbestimmt hineinpasse, das wollte ein nörgliger Teilnehmer des Symposiums wissen. Man sage zwar dauernd „Kultur“, er aber höre nur „Kommerz“. Solche ethische Rückwärtsgewandtheit sorgte dann doch für geballten Unmut. Es sei doch ganz klar, dass Kultur oftmals Wirtschaft erst ermögliche – und umgekehrt. Tja, für die Kultur der Demokratie reichte die Zeit dann leider nicht mehr.