: Berlin hat jede Menge Kohle
Ist die Pleitestadt gerettet? BVG entdeckt Braunkohle unterm Brandenburger Tor, will aber nicht selber baggern. Vattenfall schweigt zu Abbauplänen. Bezirk Mitte sieht inhaltlich ein paar Probleme
von ULRICH SCHULTE
Die BVG ist bei Probebohrungen vor dem Brandenburger Tor auf Braunkohle gestoßen. „Neben eiszeitlichen Sanden, Kiesen und Findlingen gibt es tatsächlich auch eine Kohleschicht“, bestätigt Uwe Kutscher, Leiter der Bauabteilung U-Bahn, den unverhofften Fund. Die Braunkohleablagerungen, so genannte Linsen, liegen in 40 Meter Tiefe unter dem Pariser Platz. Sie sind rund fünf Meter dick.
Wenn Berlin eines fehlt, ist das richtig viel Kohle. Glückauf!, ist die Hauptstadt gerettet? Fest steht: Die Verkehrsbetriebe haben nur das Erdreich unter ihrem geplanten U-Bahnhof geprüft (siehe Kasten), welche Rohstoffvorkommen sich in Mitte sonst noch finden, zum Beispiel unter der US-amerikanischen Botschaft, weiß niemand.
Fest steht auch: Die Berliner Braunkohlenbranche hätte das Potenzial für enorme statistische Zuwächse – selbst wenn nur ein einziger, ernsthafter Betreiber in den Markt startet. „Der Industrie- und Handelskammer ist derzeit kein Berliner Unternehmen bekannt, das im Bergbau tätig ist“, sagt Frank Niehardt, IHK-Branchenkoordinator Industrie.
Doch bisher meldet kein Unternehmen offiziell Interesse an, vielleicht um den eigenen Namen nicht zu verbrennen. Die BVG will ihren Fund jedenfalls nicht selbst ausbeuten: „Wir konzentrieren uns lieber aufs Kerngeschäft“, sagt Sprecherin Petra Reetz. „Das bisschen Kohle reicht doch nicht mal, um den Pariser Platz zu beleuchten.“ Ein Konzern, der die Hauptstadt als Braunkohlerevier im Auge haben könnte, wäre Vattenfall Europe Mining – er schweigt sich zu möglichen Überlegungen aber aus. „Dazu kann ich nichts sagen“, so eine Sprecherin auf taz-Anfrage. Der Stromriese hat allein 2003 57,4 Millionen Tonnen Rohbraunkohle in Brandenburg gefördert und macht dafür ganze Dörfer platt – bisher nur in der Lausitz. Der Tagebau ist dort – samt Großbagger, 600 Meter langer Abraumbrücke und Eisenbahnanschluss – eine raumgreifende Angelegenheit von mehreren tausend Hektar.
Diese Tatsache könnte auch Berlins schwarzer Zukunft in die Quere kommen. Denn die Bezirke müssten über Kleinigkeiten wie die Versetzung des Brandenburger Tores, aller anderen Gebäude bis West-Marzahn und der Spree hinausdenken. Harald Büttner, Chef des Straßen- und Grünflächenamtes Mitte, hätte jedenfalls „inhaltlich ein paar Probleme damit“, den Pariser Platz umzugraben. Und fügt pragmatisch hinzu: „Wer soll denn die Zufahrtswege richtig beschildern? Ich bin mir nicht sicher, ob wir Tagebaumotive da haben.“