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Archiv-Artikel

Die Symbolik der Mächtigen

Die Münsteraner Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger erhält den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In ihrer Arbeit untersucht sie die Bedeutung von Symbolen und Standesritualen in der Politik der frühen Neuzeit

VON ULLA JASPER

Welche Rolle non-verbale Kommunikation, Symbolik und Eitelkeiten in der Politik der Gegenwart spielen, lässt sich bei jedem deutsch-amerikanischen Staatsbesuch und jedem EU-Gipfeltreffen aufs Neue anschaulich studieren. Dass diese Gesten, Zeichen und Rituale jedoch in der frühen Neuzeit, also dem 16. bis 18. Jahrhundert, eine ungleich größere Bedeutung hatten, ist vor allem durch die Forschungsarbeiten der Münsteraner Professorin Barbara Stollberg-Rilinger bekannt geworden. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist sie dafür nun mit dem renommierten, mit 1,55 Millionen Euro dotierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis ausgezeichnet worden.

Die 1955 geborene Historikerin hat an der Uni Köln Geschichte, Germanistik, Kunstgeschichte und Pädagogik studiert und 1985 über Thomas Hobbes‘ Metapher vom „Staat als Maschine“ promoviert. 1997 wird die Mutter von zwei Söhnen dann auf den Lehrstuhl für Geschichte der frühen Neuzeit an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster berufen.

Mit ihrer Habilitation über die Ständevertretung im Alten Deutschen Reich im Jahr 1999 machte sich Stollberg-Rilinger unter ihren deutschen HistorikerkollegInnen jedoch nicht nur Freunde. Denn sie widerspricht in ihrer Arbeit ausdrücklich der seit den 1970er Jahren vorherrschenden Meinung, das Alte Deutsche Reich sei wegen seiner repräsentativen Ordnung aus Land- und Reichstagen quasi ein Vorläufer unseres modernen demokratischen Systems.

„Das alte Reich war zwar ein Rechtsverband, aber dieses Recht war nicht für alle gleich“, so die Professorin in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Allein die Tatsache, dass jeder Bürger das Recht hatte, vor ein Gericht zu ziehen, sage wenig über die tatsächliche rechtliche Verfassung des Reiches aus. „Es stimmt zwar, dass Untertanen zum Beispiel gegen ihre Landesherren klagen konnten. Die Frage blieb nur, ob es dann jemals auch ein Gerichtsurteil gab, geschweige denn, ob es durchgesetzt wurde.“ Mit der unkritischen Nostalgie und Sympathie vieler Historiker für das vermeintlich demokratische Alte Reich kann Stollberg-Rilinger wenig anfangen.

Stattdessen konzentriert sich die Münsteraner Historikerin und Sprecherin des Sonderforschungsbereichs „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ auf die Frage, wie die frühneuzeitliche Ständeordnung durch symbolisches Handeln und Zeremonien konstituiert und verfestigt wurde.

Beispiele für solche nonverbalen, verschlüsselten Kommunikationsformen sind vielfältig und gehen weit über Kleidung, Haltung und Körpersprache hinaus. So zeigt etwa der niederländische Gesandte, der bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden mit einer sechsspännigen Kutsche vorfährt, dass er verlangt, als gleichberechtigter Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Rituale und Symbolik werden dadurch zu einem ganz wesentlichen Bestandteil der politischen Ordnung des Reiches und zu einem Machtmittel im Kampf um Einfluss und Geltung.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft belohnt nun Stollberg-Rilingers jahrelange Forschungsarbeit auf diesem Gebiet. Die Historikerin ist die einzige Geisteswissenschaftlerin unter den zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die am 2. März in Berlin ausgezeichnet werden. Das Preisgeld in Höhe von jeweils 1,55 Millionen Euro können die PreisträgerInnen innerhalb von fünf Jahren für ihre Forschungsprojekte frei verwenden.

Ziel des 1985 eingerichteten Leibniz-Programms ist es, die Arbeitsbedingungen herausragender Wissenschaftler zu verbessern, ihre Forschungsmöglichkeiten zu erweitern, sie von administrativem Arbeitsaufwand zu entlasten und ihnen die Beschäftigung besonders qualifizierter Nachwuchswissenschaftler zu erleichtern.

Der Preis erinnert an den in Leipzig geborenen Universalgelehrten Leibniz (1646-1716), der sich sowohl als Philosoph und Mathematiker, Physiker und Techniker als auch als Jurist und politischer Schriftsteller, Geschichts- und Sprachforscher hervortat. Er ist einer der Gründerväter der „Preußischen Akademie der Wissenschaften“. Die Verleihung der Preise findet am 2. März 2005 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin statt.

Viel Spielraum für die Verwendung des Preisgelds lässt die DFG ihren Gewinnern jedoch nicht. Das Geld ist ausschließlich für Forschungszwecke bestimmt. „Kekse oder Kaffee für meine Mitarbeiter kann ich damit nicht kaufen“, wie Stollberg-Rilinger bedauert. Die Historikerin wird das Preisgeld dafür nutzen, sich ein oder zwei Freisemester zu finanzieren und die Forschungsergebnisse abschließend in einem Buch zu veröffentlichen.