: Erbsenzählerei und Tohuwabohu
Bremen und Bremerhaven sind „Stadt der Wissenschaft 2005“. Die gestrige Auftaktveranstaltung in der Messehalle 7 gab schon mal Einblick, was im laufenden Jahr so alles auf uns zu kommt: 500 Veranstaltungen, die Wissenschaft erlebbar machen
bremen taz ■ „Wie viele Erbsen sind in den Gläsern? Wie dick ist eine Schweineborste in Mikrometern?“ Fast 50 solcher Fragen mussten gestern SchülerInnen zur Auftaktveranstaltung der „Stadt der Wissenschaft 2005“ in der Messehalle 7 an der Bürgerweide beantworten. Dabei hatte ihnen doch Bildungssenator Willi Lemke schulfrei gegeben. Das Gestöhne war allenthalben groß – gar nicht mal wegen der Fragebögen, sondern weil auf den 2.000 Quadratmetern ein solches Gedränge und Geschiebe herrschte, dass sich manche der PennälerInnen zurück in den übersichtlichen Klassenraum wünschten. O-Ton eines Zwölfjährigen: „Es ist ja ganz gut hier, aber so verdammt eng.“
Freilich gehe es hier auch um „Lernen mit anderen Methoden“, wie Bürgermeister Henning Scherf eingangs betonte. Die Kids hatten auch reichlich Gelegenheit (sofern sie an die Stände gelangten), selbst Hand anzulegen bei wissenschaftlichen Experimenten: die Steuerung eines Tauchroboters etwa oder beim Spielen eines „bösen Spiels“.
Denn zu den 30 Ausstellern aus Wissenschaft und Wirtschaft gehörte auch der Fachbereich Kulturwissenschaft der Uni Bremen, der das „Böse“ vorstellte und die These aufstellte: Das Böse ist eine gute Erfindung. Henning Scherf durfte dann auch gleich als Interviewpartner über „das Böse in der Politik“ berichten – noch sind seine Aussagen geheim, sie werden allerdings in einem Film während der Containerausstellung „Black Boxes“ am 17. Mai vor dem Überseemuseum – einer der 500 geplanten Veranstaltungen – zu sehen sein.
Im Frühjahr 2004 titelte die ZEIT vom „Wunder an der Weser“, was meinte: den „erstaunlichen Aufstieg des Wissenschaftsstandortes Bremen/Bremerhaven“, auch hinzielend auf Prestigeprojekte wie „Universum Science Center“ und (damals noch) „Space-Park“. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, eine Gemeinschaftsaktion der Wirtschaft, gab dann auch dem Städteverbund (unter insgesamt 37 Bewerbern) den Zuschlag zur„Stadt der Wissenschaft“. Begründung: „Alle gesellschaftlichen Gruppen in Bremen ziehen an einem Strang, um die Wissenschaft als Motor des Strukturwandels zu nutzen und so wirtschaftliche Probleme zu überwinden.“ Man habe mit der Wahl ein politisches Zeichen setzen wollen.
„Politische Zeichen“ wurden zum Auftakt weniger gesetzt (wenn sie nicht doch noch in dem Statement des Bürgermeisters verborgen sind), dafür allerdings die Programmschwerpunkte vorgestellt, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. An den Schnittstellen Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur generieren mehr als 90 Einrichtungen Bremens und Bremerhavens (Universitäten, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsinstitute sowie Unternehmen) bis zum 30. November Angebote, die in ihrer Vielfalt einen „Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit“ – wie die Macher werben – anregen sollen.
„Forschung für die Bürger“, „Wissenschaft im Container“, „Young people only?“, „Ein starkes Tandem – Wissenschaft und Wirtschaft“ und „Klänge und Zeichen“ tituliert das Koordinationsteam rund um Albert Gerdes vom DFG-Forschungszentrum Ozeanränder und Gerold Wefer, Meeresgeologe und „Universum“-Erfinder, die Schwerpunktthemen. Zu deren Umsetzung kann das Team ein Budget von rund 1,4 Millionen Euro ausgeben. 250.000 Euro kommen vom Stifterverband, 570.000 Euro aus Sponsorenmitteln sowie 600.000 Euro von der Bremer Marketing Gesellschaft, also aus der Staatskasse.
Wie profitiert nun Bremen als Standort vom Titel „Stadt der Wissenschaft 2005“? Kommen auswärtige Besucher? Maike Lucas von der Bremer Touristik Zentrale (BTZ), die immerhin bundesweit mit dem Titel wirbt, hält ihn für eine „enorme Imageaufwertung“. Allerdings hätten die meisten der Veranstaltungen regionalen Bezug, so dass die nicht unbedingt Touristen anlocken würden. Einige Highlights allerdings – wie die „Black Boxes“ oder der „Circus Quantenschaum“, eine Kooperation zwischen „Stadt der Wissenschaft“ und Kulturhauptstadtprojekt und umgesetzt von der Bremer Shakespeare Company, könnten durchaus auch Auswärtige interessieren, gibt sich die Pressesprecherin der BTZ zuversichtlich.
Was den Dialog mit der Öffentlichkeit angeht, so funktionierte der in einer Hinsicht gestern Vormittag nicht: Der AStA der Uni Bremen protestierte mit einer spontanen Performance gegen Studiengebühren. Die ging im allgemeinen Wissenschafts-Tohuwabohu allerdings völlig unter. dab
Das Programm im Detail steht unter www.stadtderwissenschaft-2005.de