: Spur der Aussagen
„Riyuu“ (Panorama Special) von Nobuhiko Obayashi erzählt einen Kriminalfall als kunstvolle Doku-Fiction
Nobuhiko Obayashi hat einen wunderbar klingenden Namen, dachte ich schon vor vier Jahren, als sein Film „Sada“ im Wettbewerb lief. „Sada“, eine Art Remake von Oshimas „Im Reich der Sinne“, hatte sehr schön an die große Zeit japanischer Studiofilme angeknüpft. Dies tut sein ebenfalls sehr schöner Film „Ryuu“ auch. Das heißt alles ist super ausgeleuchtet, es gibt großartige Blautöne in heftigem Regen, der das Licht der Beleuchtungsscheinwerfer spiegelt, und man denkt dauernd „toll“ und bewundert die große Meisterschaft des Regisseurs im Umgang mit den filmischen Mitteln.
Alles ist also total schön, äußerst elegant, formvollendet – wie ein Tee vielleicht, von dem 100 Gramm 12 Euro kosten. Gerade am Anfang ist das großes Kino, wie man so sagt, also wie Obayashi dreißig Minuten vielleicht in die Geschichte des Verbrechens, um das es geht, einführt, ein paar hundert Jahre erstmal zurückgeht, um einen mit dem Tokioter Stadtteil, in dem das spielt, erst mal bekannt zu machen, über die Charakteristik seiner Bewohner, die als besonders warmherzig gelten, bis zum Erdbeben 1967, der Bubble-Ökonomie der 80er und dem Platzen der Blase in den 90ern und dann landet er in einer kleinen Polizeistation bei einem aufgeregten Mädchen, das den diensthabenden, etwas schläfrigen Polizisten auffordert, nun unbedingt da und da hinzukommen, weil dort der vermeintliche Mörder wäre. Und dann geht’s halt zurück in diesem 160-minütigem fiktiven Dokumentarfilm, der von einem furchtbaren Verbrechen erzählt.
Während draußen ein Sturm mit wunderbar blauschwarzen wilden Wolken über Tokio hinwegzieht, werden die vier Bewohner eines Hochhausappartements ermordet. Der detektivische Film besteht nun aus Interviews und Ortsterminen mit Leuten, die was wissen könnten; Nachbarn, den vorherigen Bewohnern des grusligen Apartments, Hausmeistern usw. Wenn man gut aufpasst, entsteht ganz gemächlich ein Bild. Da und dort gibt es falsche Fährten, und am Ende weiß man mehr.
Auf der Bildebene ist „Riyuu“ beeindruckend; insgesamt aber auch oft sehr verwirrend, was daran liegt, dass es oft Zeitsprünge gibt und vor allem daran, dass der Film sehr wortlastig ist und man sich beim Lesen der Untertitel oft die Gesichter der mehr als 100 Personen nicht merken kann, deren Aussagen die Handlung vorantreiben. So ist „Riyuu“ einer der wenigen japanischen Filme, die besser würden, wenn man ihnen eine Synchronisierung antäte. DETLEF KUHLBRODT
„Riyuu“. 17. 2., 21.30 Uhr, Zoo-Palast 1; 18. 2., 10 Uhr, CinemaxX 7