KANN MAN DIE LINKSPARTEI WÄHLEN? :
Pro
ALBERT SCHARENBERG IST REDAKTEUR DER „BLÄTTER FÜR DEUTSCHE UND INTERNATIONALE POLITIK“
Bereits die Frage ist Ausdruck des Problems. Natürlich kann man prinzipiell jede demokratische Partei wählen. Nur, mit Blick auf die Linkspartei gefragt, wen sollte man denn sonst wählen? Die SPD ist fest im Griff der Schröderianer, personell am Ende und programmatisch mausetot. Und die Grünen, die bereits in der rotgrünen Bundesregierung „Yes, we can!“ zu Deregulierung, Hartz IV und Kosovokrieg sagten, bewegen sich – langsam, aber sicher – immer weiter auf ihr liberales Pendant und auf die schwarz-grüne Option zu.
Es gibt aber auch positive, inhaltliche Gründe, die für die Linkspartei sprechen: Sie hat die besten Vorschläge zur Re-Regulierung der Finanzmärkte und der Weltwirtschaft (und, für Besserwisserwähler, sie hatte diese bereits lange vor dem Herbst 2008). Für diejenigen, die sich nicht daran gewöhnen wollen, dass Deutschland wieder Krieg führt, ist Die Linke die einzige Partei, die eine Exit-Option für Afghanistan verlangt. Und mit Blick auf das rot-grüne Projekt Hartz IV fordert sie massive Nachbesserungen, die, würden sie umgesetzt, durchaus eine Annäherung an ein Grundeinkommen bedeuteten.
Hinzu kommt ein weiterer, allzu oft vernachlässigter Grund: Die Linkspartei ist nämlich viel libertärer, als die Lafontaine-zentrierte Medienberichterstattung gemeinhin nahelegt – gerade im Osten der Republik, wo, um nur ein Beispiel zu nennen, immer wieder so viele Schwule und Lesben in Führungspositionen gewählt werden, dass man denken könnte, es gebe ein gesondertes Förderprogramm.
Zugegeben: Die Geburtswehen der noch jungen Linkspartei tun mitunter weh – auch mir. Und trotzdem: Wo sonst gibt es so etwas wie linken Aufbruch? In der SPD, etwa mit Andrea Nahles? Come on! Bei den Grünen? Deren sympathischer Neuzugang Sven Giegold sitzt ja bereits im Europaparlament. Die Linke hingegen besteht beileibe nicht nur aus Oskar Lafontaine. Und ihre Zukunft gehört ohnehin der jungen Generation, gehört Leuten wie Katja Kipping, Halina Wawzyniak und Klaus Lederer.
Contra
JAN FEDDERSEN IST AUTOR UND TAZ-REDAKTEUR FÜR BESONDERE AUFGABEN
Eines der Grundübel sogenannter linker Politik ist, dass deren ProtagonistInnen sich vor jeder Politik fragen, ob das, was sie tun, auch links ist.
Links zu sein ist für die sogenannte Linke der alten Bundesrepublik eine Sache der inneren Feierlichkeit, aber nicht eine im Sinne praktischer Arbeit in Parlamenten. Die PDS, für altwestdeutsche Gemüter unverständlich, ist eine Volkspartei gewesen, in der Grüßonkel wie Hans Modrow oder Folkloretribuninnen wie Sahra Wagenknecht dem Laden gewisse sozialistische Girlanden verliehen, aber pragmatischer Politik nicht im Wege standen. Die PDS auf dem Gebiet der früheren DDR war und ist: erfolgreich. Sie ist die Partei der Nachbarschaftlichkeit, der pädagogischen Nachhilfe auf dem Weg in den „Westen“, sie versteht es, Politik als Konzept der partizipatorischen Nähe zu entwickeln. Besonders die Berliner PDS ist hier zu loben: verantwortlich sich zeigend für eine finanzklamme Metropole, Sparvorschläge dort verortend, wo sie den öffentlichen Dienst verschlanken helfen – was ein ohnehin marxistischer Ansatz ist –, und obendrein nicht, nun ja, linksradikal-spinnert. Diese Partei ist jene, die Europa wertschätzt und den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern, freiheitlich, ihn effizienter haben möchte – im Sinne der Freiheit von echten Liberalen, nicht von Marktentgrenzern.
Mit Oskar Lafontaine ist diese Partei nicht genießbar. Er verfolgt eine alte Kominternstrategie, nach der die kapitalistische Krise beschleunigt werden müsse, um das Volk zur Revolution zu treiben. Eine Partei, die Leute wie André Brie oder Sylvia-Yvonne Kaufmann nicht für das EU-Parlament hat kandidieren lassen – die braucht kein libertärer Mensch. Diese Partei, in der einer wie Dieter Dehm Schneisen der Einschüchterung schlägt, ist keine Stimme wert. Gregor Gysi und all die anderen der Guten und Fähigen, Bisky, Brie, Kaufmann, Hoell, Ramelow, Kipping oder Pau, wären wählbar. Aber die Erbschaften der dumpfbackigen Westlinken – die schlage man doch besser aus!