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Archiv-Artikel

Zwei Billionen Dollar Schäden bis 2050

Auf einer Tagung der Münchener Rück untersuchen Ökonomen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft. Ihr Fazit: Klimaschutz jetzt ist für die Volkswirtschaft wesentlich billiger als die absehbaren Schäden durch Wetterextreme

AUS FREIBURGBERNWARD JANZING

Selbst knallharte Ökonomen müssen – wollen sie konsequent sein – in Zukunft Klimaschützer werden. Die Schäden, die durch klimapolitisches Nichtstun entstehen, sind höher als die Kosten des Klimaschutzes, so das Fazit der Tagung „Klimawandel und Wetterextreme – die Folgen für Deutschland“, die gestern in München statt fand. Wirtschaftswissenschaftler ließen keine Zweifel an einem häufig noch ignorierten Zusammenhang: Der Klimawandel verursacht schon heute volkswirtschaftliche Milliardenschäden. Und er wird es in Zukunft noch viel mehr tun.

Gerhard Berz, ehemaliger Leiter der Abteilung GeoRisikoForschung bei der Münchener Rück, hatte die Schadenszahlen der vergangenen Jahre parat – sie zeigen einen deutlichen Trend: Binnen vier Jahrzehnten stieg die Zahl der großen Naturkatastrophen weltweit auf das Dreifache. Da zugleich die Städte gewachsen sind – sich somit einem Unwetter immer höhere Werte zur Zerstörung anbieten – stieg die Schadenssumme überproportional auf das Siebenfache. Inflationsbereinigt, wohlgemerkt. Fast immer seien Unwetter Auslöser der Schäden gewesen; 5 von 6 Naturkatastrophen basierten auf Wetterextremen.

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) prognostizierte auf der Tagung der Münchener Rückversicherung weltweit „volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von bis zu zwei Billionen Dollar im Jahre 2050“. Dieser Wert ergebe sich bei einer angenommenen Temperaturerhöhung von einem Grad. Allein für Deutschland sei durch einen Klimawandel dieses Ausmaßes von Schäden durch Naturkatastrophen in Höhe von 137 Milliarden Euro bis 2050 auszugehen, so die Ökonomin.

Dass diese Zahlen sich in durchaus realistischer Dimension bewegen, machen Auswertungen der Hitzewelle des Jahres 2003 in Europa deutlich: Ökonomen schätzen die Schäden des Dürresommers für die europäischen Volkswirtschaften auf 10 bis 17 Milliarden Euro. Das „Jahrhunderthochwasser“ von Elbe, Mulde und Donau im Jahr zuvor wird von der Versicherungsbranche allein in Deutschland auf 9,2 Milliarden Euro beziffert.

Diese beiden europäischen Wetterextreme entsprechen genau dem Muster, das Wissenschaftler aufgrund der Veränderungen in der Atmosphäre in Zukunft weltweit häufiger erwarten. Schließlich ist der Kohlendioxidgehalt in der Erdatmosphäre seit dem Start der Industrialisierung um über 30 Prozent angestiegen.

Diese atmosphärische Veränderung legt einen globalen Temperaturanstieg nahe, der wiederum die Wetterküche anheizt; tropische Wirbelstürme zum Beispiel beziehen ihre Energie aus den warmen Weltmeeren und werden bei steigender Temperatur stärker „angefüttert.“

Die Konsequenzen sind plausibel: Mit „sehr hoher“ Wahrscheinlichkeit seien mehr Hitzewellen und höhere Extremniederschläge zu erwarten, heißt es beim internationalen Klimasekretariat IPCC. Auch das Risiko zunehmender Dürren, höherer Windintensität, mächtigerer Wirbelstürme und stärkerer Schwankungen der asiatischen Monsunregen stuft die Wissenschaft als „hoch“ ein. Neben menschlichen Tragödien führen solche Entwicklungen regelmäßig zu gravierenden Schäden der betroffenen Volkswirtschaft – von der Zerstörung von Ackerflächen bis zur vermehrten Ausbreitung tropischer Krankheiten aufgrund der Verschiebung von Klimazonen.

Versicherungsexperte Berz weiß, was diese Entwicklung für seine Branche bedeutet: Die Versicherer seien auch im eigenen Interesse gut beraten, sich „zu einem bedeutenden Verbündeten der im Umweltschutz engagierten Organisationen, Behörden und Industrien zu entwickeln“.