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Archiv-Artikel

Der Platz wird knapp

Körting schreibt einen Brief an Schily, Schönbohm schimpft, Bundestag debattiert. Doch dass die NPD am 8. Mai tatsächlich vor dem Brandenburger Tor aufmarschiert, ist höchst unwahrscheinlich

VON ULRICH SCHULTE

Was sich angesichts einer geplanten NPD-Versammlung an Versammlungsrechtsideen so ansammelt, ist schon erstaunlich. Berlins Innensenator schreibt einen Brief, Brandenburgs Innenminister schimpft, Bundestag debattiert. Doch von vorn – und mal in aller Ruhe.

Dass der NPD-Nachwuchs „Junge Nationaldemokraten“ am 60. Jahrestag des Kriegsendes tatsächlich vor dem Brandenburger Tor aufmarschiert, ist höchst unwahrscheinlich: Den Pariser Platz im Osten hat die BVG mit ihrer U-Bahn-Großbaustelle blockiert, im Norden gibt es den Reichstag samt Bannmeile, im Süden das Holocaust-Mahnmal. „Das wird eng“, sagte Innenverwaltungs-Sprecherin Henrike Morgenstern gestern – zumal ja einige Gegenveranstaltungen zu erwarten seien.

Bleiben den Neonazis – hunderte Polizisten noch gar nicht eingerechnet – nur ein paar Quadratmeter Demo-Asphalt? Der Bundestag nimmt diese Frage ernst und beriet gestern den Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition, der in Kürze das Versammlungsgesetz verschärfen soll – hauptsächlich, um besagten NPD-Aufmarsch zu verhindern: Demnach sollen Bund und Länder in einer Liste symbolträchtige Orte von nationaler Bedeutung bestimmen, an denen rechtsextreme Aufmärsche verboten werden können.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wetterte gestern über „Dilettantismus pur“, auch sein Berliner Kollege Ehrhart Körting hält von der Idee wenig. Er legte seine Argumente Bundesinnenminister Otto Schily (beide SPD) in einem Brief, datiert auf den 14. Februar, ans Herz. „Eine Beschränkung der beabsichtigten Verbotsmöglichkeit auf Stätten ‚nationaler Bedeutung‘ würde Verbote ausschließen, die anderswo nach der geltenden Rechtslage möglich sind“, schreibt Körting. Dahinter steckt die Befürchtung: Wer eine Liste mit schützenswerten Orten herausgibt, lässt dabei zwangsläufig viele weg – und bringt Gerichte in die Bredouille, wenn sie über Demos an diesen Stätten befinden sollen. Motto: Wo die Neonazi-Demo nicht ausdrücklich verboten ist, ist sie erlaubt. Als Berliner Beispiele nennt Körting unter anderem die Gedenkstätte Plötzensee, die „Topographie des Terrors“ oder das Jüdische Mahnmal an der Levetzowstraße.

Körtings Fazit: Eine Präzisierung im Versammlungsrecht sei wünschenswert, dürfe aber nicht zur Einengung „der jetzt schon vorhandenen“ Beschränkungen führen. „Ich bitte deshalb, aus Ihrem Entwurf […] den Begriff ‚nationales‘ zu streichen.“

Die Innenverwaltung will stattdessen einen ergänzenden Absatz im Versammlungsrecht – unterfüttert von zwei Bundesverfassungsgerichtsurteilen: Er würde sowohl Orte betreffen, die ans Nazi-Regime erinnern, als auch Gedenktage, also Zeitpunkte. „Wenn durch rechtsextreme Aufmärsche Opfer verhöhnt werden, müssen Verbote möglich sein“, sagt Morgenstern.

Falls der Berliner Wunsch bundesweit kein Gehör findet, hätte Körting für das Holocaust-Mahnmal eine andere Idee parat: Seinen Schutz, schreibt er in dem Brief, könne man auch in das Stiftungsgesetz aufnehmen.

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