Hebelarm fürs gute Gewissen

Wie ein Investment in Öko- und Nachhaltigkeitsfonds auf Unternehmen und ihr Umweltverhalten Einfluss nimmt, ist kaum erforscht. Der Effekt ist jedenfalls nicht mit einer Solaranlage vergleichbar, bei der man den direkten Nutzen ausrechnen kann

VON JÖRG WEBER/ECOREPORTER.DE

Keine Rüstung, keine Gentechnik, atomwaffenfrei, manchmal ohne Tierversuche, teilweise Verzicht auf Alkohol und Glücksspiel. Wer liest, was Nachhaltigkeitsfonds als Anlagekriterien definieren und welche Aktien sie ausschließen, der wird feststellen: Jeder kann den Fonds finden, der seinen inhaltlichen Ansprüchen genügt. Aber: Erkauft man sich damit nur ein reines Gewissen, oder bewirkt diese Art der Geldanlage auch, dass sich etwas in der Wirtschaft ändert?

Die Frage ist wissenschaftlich kaum erforscht. Ein Grund dafür dürfte der komplizierte Mechanismus sein, mit dem sich Investments auf Unternehmen und ihr Umweltverhalten auswirken. Denn der Effekt einer Geldanlage ist nicht mit dem einer Solaranlage vergleichbar, bei der man recht einfach ausrechnen kann: Wer 10.000 Euro investiert und statt einer neuen Erdölheizung Solarkollektoren installiert, vermeidet jedes Jahr soundso viel Kohlendioxid. Wenn dagegen ein Fondsmanager von dem Geld der Anleger an der Börse 10.000 Aktien eines Solarzellenherstellers kauft, erhöht dieser Kauf die Nachfrage nach diesen Aktien oder stabilisiert sie. Allerdings fließt kein Geld in das Unternehmen. Das landet (außer bei Neuemissionen) bei den Verkäufern der Wertpapiere.

Selbst wenn die Aktiengesellschaft vom Handel nicht direkt berührt wird, hat die Nachfrage nach Aktien eine ganze Reihe positiver Effekte für ein Unternehmen – in der Summe so viele, dass Experten meinen, es gebe kaum einen besseren Hebelarm für eine nachhaltigere Wirtschaft als die Geldanlage, wie Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds sie betreiben.

Vor allem bei jungen, noch nicht börsengehandelten Unternehmen oder auch bei börsennotierten Nebenwerten ist es wichtig, dass die Interessenten bemerken: Die Aktie wird gehandelt. Damit entsteht Vertrauen in die Marktgängigkeit, der Fachmann spricht auch von Liquidität oder Fungibilität (Handelbarkeit). Der Interessent für eine Aktie sieht, dass er sie, falls er sein Geld anderweitig benötigt, wieder verkaufen kann. Wer mit ökologischen Aktien handelt, ermöglicht es anderen ebenfalls, für eine begrenzte Zeit Geld in diesen Markt zu investieren.

Vor allem aber kann die Nachfrage nach einer Aktie den Kurs steigen lassen. Und je höher der Aktienkurs, desto mehr finanzielle Mittel kann das Unternehmen bei künftigen Kapitalerhöhungen erhalten, da sich ein entsprechend höherer Preis für die „jungen Aktien“ erzielen lässt.

Ein hoher Aktienkurs erschwert die ungewollte Übernahme, erleichtert aber die Akquisition, das Übernehmen anderer Firmen, und die Kreditaufnahme. Ein hoher Aktienkurs nachhaltiger Unternehmen hat auch einen Lern- und Nachahmungseffekt: Andere Unternehmen erkennen, dass sich umweltorientiertes Verhalten durch steigende Aktienkurse auszahlen kann. Der Gedanke „Umweltschutz lohnt sich auch finanziell“ wird sich eher durchsetzen. Damit wird es für Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen in diesem Bereich anbieten, einfacher, sich im Wettbewerb zu behaupten. Und die Mitarbeiter sehen: Mehr Umweltleistung ist lukrativ.

Festzuhalten ist also: Kauft ein Umweltfonds Aktien, kommt das letztlich in indirekter, aber sehr wirkungsvoller Weise den Aktiengesellschaften zugute, in die der Fonds investiert. Und damit auch der Umwelt. Diesen Effekt könnte man aber auch als Aktienkäufer direkt erzielen, ohne Umweg über den Fonds.

Wo also liegt der Zusatznutzen von Umweltfonds? Zum einen in deren Volumen. Mit ihren Millionenbeträgen entfalten sie eine größere Marktmacht, stabilisieren zum Beispiel Aktienkurse. Sie bauen Anreize für die Unternehmen auf, die die Fondskriterien erfüllen wollen, um in den Genuss der Vorteile zu kommen, die es bietet, wenn sie in einem Fonds enthalten sind. Beispielsweise ist es durchaus möglich, dass sich Firmen von Geschäftsbereichen wie der Rüstung trennen, wenn die Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds noch mehr Einfluss bekommen.

Das Verhalten von Großinvestoren wie Fonds, Pensionskassen, Banken und Versicherungen hat Signalwirkung: Zeigt sich, dass sich Bemühungen um Umweltschutz oder das Engagement in Nachhaltigkeit finanziell lohnen, folgt der Markt. Fonds mit genau definierten Kriterien für die Investition sind außerdem für die Aktiengesellschaften eine berechenbare Größe: Die Vorstände sehen so, dass die Aktie gute Chancen hat, in einen Fonds aufgenommen zu werden, wenn bestimmte Vorgaben erfüllt werden. Einzelne Aktionäre legen zwar möglicherweise für sich ähnliche Maßstäbe an, aber in aller Regel erfährt eine Aktiengesellschaft das nicht. Die Fonds erzeugen außerdem durch ihr Umweltresearch Druck auf die Unternehmen, Umweltdaten zu veröffentlichen. Damit stärken sie dem Umweltmanagement der Unternehmen den Rücken.

Ein Fonds erwirbt mit den Aktien auch Stimmrechte bei den Gesellschafterversammlungen der Unternehmen, in die er investiert. Über diesen Hebel kann er aktiv im Sinne der Nachhaltigkeit auf die Strategie eines Unternehmens einwirken. Das ist der so genannte Engagement-Ansatz. Sein Ziel: möglichst nachhaltige Entscheidungen erreichen. Als Mittel dazu können Anfragen oder Vorschläge zur Geschäftspolitik an den Vorstand dienen. Vor allem Fonds in Großbritannien suchen so ihren Einfluss auf Unternehmen zu verstärken. In Deutschland ist dieses Vorgehen noch eher selten. Es kann zu einem dauerhaften Dialog zwischen Fonds und Vorständen führen.