: Opulenz als Konzept
AIDA So viel Nil war nie: Mit Verdis „ägyptischer Oper“ an der Gröpelinger Waterfront schafft das Bremer Theater ein aufwendiges Open Air-Ereignis
Nach dem „Fliegeden Holländer“ ist „Aida“ von Giuseppe Verdi die zweite Produktion des Bremer Theaters vor der „Waterfront“.
■ Während der „Holländer“ auch wirtschaftlich als Erfolgsstory gilt, steht „Aida“ unter doppeltem ökonomischen Druck: Zum einen durch das 1,5 Millionen Euro-Defizit aus „Marie-Antoinette“, zum anderen durch „voraussichtliche Kostensteigerungen von 400.000 Euro“, von denen kürzlich in der Kulturdeputation berichtet wurde.
■ Bis zum 4. Juli gibt es insgesamt 13 Vorstellungen, die Karten kosten zwischen 37 und 67 Euro.
Wenn’s kalt wird, kann man kräftig winken: Schon beim Einlass zur Open Air-Aufführung von „Aida“ an der Waterfront verteilen die HelferInnen monochrome Fähnchen, Marke goldener Adler auf goldenem Grund, wie Otto sagen würde. Noch aber wärmt die Abendsonne, deren Untergang die tragische Handlung auf der Schwimmbühne trefflich illuminieren soll.
Generalintendant Hans Joachim Frey hat höchstselbst die künstlerische Leitung für das, nach „Marie Antoinette“, zweite Großprojekt der laufenden Spielzeit übernommen, zur Begrüßung brieft er das Publikum: „Kurz vor der Pause werden sie von unseren Mitarbeitern aufgefordert, kräftig zu schwenken, um auf diese Art aktiv an der Aufführung mitzuwirken.“ Wie im Sozialismus, könnte man denken, nur dass da die Winkelemente anders coloriert waren. Jetzt aber muss sich die gefangene Prinzessin Aida erstmal in den feindlichen Feldherrn verlieben, der wiederum der Pharao-Tochter zugedacht ist. Der Intendant hat dafür eine Art Bauklotz-System ersonnen, mit der sich die Bühne umstandslos mit Türmchen, Tempeln und ähnlichen Tatorten bestücken lässt. Am Ende stapeln sie sich zum Grab der Liebenden.
Die besseren Effekte bietet freilich der Ort selbst: Das Stahlwerk beteiligt sich mit Feuerstößen aus dem Schornstein, die Ausrichtung der fast 2.400 Sitze nimmt praktischerweise die verbliebenen Hafenkräne ins Visier. Sicher: In Sachen Schiffs-Choreografie und Lichtsetzung wäre noch einiges heraus zu holen, bemerkenswert ist jedoch, wie viel musikalische Substanz unter diesen spektakulären Umständen erkennbar bleibt. Dank einer hervorragenden Tontechnik kommt Markus Poschners Einsatz als ebenso zupackender wie einfühlsamer Dirigent tatsächlich zum Tragen, nuanciert und mit zum Teil bemerkenswerten Tempi liefern die Bremer Philharmoniker eine eben nicht nur kulinarisch, sondern auch künstlerisch sehr zufrieden stellende Arbeit. Chor und SolistInnen agieren beeindruckend, mit Ausnahme von Jose Gallisa als Ramphis. Wie alle Oberpriester der Opernwelt leidet die Rolle am Sarastro-Syndrom: Um archaische Autorität zu suggerieren, muss er sich in tiefsten Lagen tummeln, was zu allerlei unprägnantem Gegrummel führt. Ein Pluspunkt sind die TänzerInnen: Erstmals stand Urs Dietrichs Compagnie vor der Aufgabe, eine Oper zu illustrieren, normalerweise werden dafür Extra-Kräfte engagiert. Sie füllt und weitet das Ballett-Korsett mit ebenso fragmentarisierten wie exzessiven Bewegungssequenzen. HBL