: Mehr Demokratie wagen
Die Direktbeteiligung der Bürger an politischen Prozessen scheitert an zu hohen Hürden. Oft haben Bürgerbegehren wenig Chancen. Die Diätenreform im Landtag zeigt, dass es auch anders geht
VON HOLGER PAULER
Die Initiative Mehr Demokratie e.V. in Nordrhein-Westfalen beklagt die hohen Hürden für Bürgerentscheide und Volksinitiativen. So waren fast alle Bürgerentscheide des 2004 ungültig. In sieben Abstimmungen erreichten fünf Bürgerbegehren zwar eine Mehrheit der Abstimmenden, verfehlten aber gleichzeitig die vorgeschriebene Mindestzustimmung von 20 Prozent aller Wahlberechtigten. „Wir fordern, dass die Hürde gesenkt wird“, sagt Daniel Schily, Geschäftsführer von Mehr Demokratie. NRW müsse zumindest dem „bayerischen Stand“ angeglichen werden. Dort reicht für erfolgreiche Quoren die Zustimmung von zehn Prozent der Wahlberechtigten in den Großstädten und 20 Prozent in Kleinstädten. Und NRW? Ein Bürgerbegehren für den Erhalt von Büchereien in Engelskirchen blieb im letzten Jahr trotz einer Mehrheit von über 98 Prozent auf der Strecke – die Beteiligung war zu niedrig.
Mehr Demokratie fordert, dass die Ausnahmebestimmungen fünf und sechs im Paragraph 26 der Gemeindeverordnung zum Thema Bürgerbegehren gestrichen werden, um gerade formelle Fehler zu vermeiden. In einem Negativkatalog wird die Zulässigkeit von Bürgerbegehren geregelt. Zustimmung kommt von der FDP und den Grünen. Und während die CDU zumindest eine Teilstreichung bürokratischer Hürden anregt, lehnen die Sozialdemokraten jede Änderung ab.
„Den Bürgern wird zu Unrecht zu wenig Eigenverantwortung in demokratischen Prozessen zugetraut“, sagt Daniel Schily. Im Vergleich mit anderen Bundesländern schneidet NRW zwar relativ gut ab. Im Länderranking von Demokratie jetzt liegt das Land auf Rang vier. Allerdings konnten nur Bayern und mit Abstrichen Hamburg im Fall kommunaler Bürgerentscheide überzeugen. Der Rest bekam keine befriedigenden Noten. „Der deutsche Sonderweg ist EU-weit einmalig“, sagt Schily.
Auch bei den Volksinitiativen gibt es laut Demokratie Jetzt noch Nachholbedarf. Aktuell hoffe man aber auf ein positives Signal, so Schily. Am 25. Januar startete der Bund der Steuerzahler NRW eine Volksinitiative für die Reform der Diätenversorgung der Landtagsabgeordneten. In der ersten Woche hatte der Bund der Steuerzahler bereits 3.000 Stimmen gesammelt. Der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann und der Bund der Steuerzahler appellierten an die Abgeordneten, die Novelle noch vor der Wahl am 22. Mai zu verabschieden. „Deutschland schaut auf Düsseldorf in diesen Tagen“, sagte von Alemann. Die Gesetzesvorlage sieht unter anderem ein Verbot von Einkünften ohne Gegenleistung sowie eine umfassende Meldepflicht für Nebeneinkünfte vor. Die Grunddiät soll auf 9.500 Euro im Monat verdoppelt werden. Im Gegenzug sollen alle steuerfreien Aufwandspauschalen von monatlich maximal 2.387 Euro gestrichen werden. Außerdem sollen die Abgeordneten selbst für ihre Altersversorgung zahlen. Nach zähen Verhandlungen hatten am vergangenen Dienstag alle vier Landtags-Fraktionen der Reform zugestimmt. Wann sie allerdings umgesetzt wird ist noch unklar.