: Ja, mach nur einen Masterplan
Nach dem erneuten Misserfolg arbeitet die SPD jetzt an ihrem Optimismus. Denn bis zu der nächsten Landtagswahl sind es nur noch wenige Wochen
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF UND ULRIKE WINKELMANN
Schönreden hilft nicht. Darauf ist nach der Wahl in Kiel nun auch die SPD in Berlin gekommen. Ihr Masterplan sah bislang so aus: Nach den zum Erfolg umgedeuteten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen im September 2004 wäre auch Schleswig-Holstein mit blankem Optimismus hart am Wind zu ersegeln. Dann wäre Nordrhein-Westfalen im Mai schon so gut wie gewonnen und somit der Sieg bei der Bundestagswahl 2006 – nun, sagen wir: greifbar.
Ein Problem mit Masterplänen ist, dass sie sich auch rückwärts abrollen lassen: mit der ersten Wahl-Niederlage nach der Umsetzung der „Hartz IV“ genannten Arbeitsmarktreform bis zu einem möglichen Desaster 2006. Als gestern Abend die Ergebnisse noch unklar waren, entschied sich die SPD-Spitze vorläufig für die Pose der ungebrochenen Kämpfer. Parteichef Müntefering sagte, nach den Umfrage-Tiefs des letzten Sommers „ist es Schritt für Schritt besser geworden“. Die Partei habe sich an einen Sieg „rangearbeitet“. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter ergänzte gegenüber der taz, „wir sind ja nicht nur optimistisch, wir arbeiten dran“.
Heilfroh waren die Sozialdemokraten, dass dank der unentschiedenen Haltung des dänischen Wählerverbands SSW zunächst nicht etwa Hartz, sondern die Bildung im Mittelpunkt stand. Prompt erklärte Müntefering: Zentral sei, „dass Kinder aus allen Schichten – ganz egal wie dick Papas Portemonnaie ist – die gleichen Bildungschancen haben“. Über das momentan zentrale Problem der Grünen, die Visa-Affäre von Außenminister Joschka Fischer, und deren möglichen Anteil am Wahlausgang in Kiel verloren weder Müntefering noch Benneter ein Wort. Warum auch?
Schließlich erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth, sie „gehe davon aus, dass die Visa-Debatte oder so genannte -Affäre keinen Einfluss auf unser Ergebnis hatte“. Dass die Kieler Grünen wenigstens ihr 6,2-Prozent-Ergebnis vom letzten Mal knapp übertrafen, war für Roth Grund genug, zu erklären: „Ich bin sehr froh, was soll ich denn sonst sagen?“
Dass sich die Grünen eigentlich, nach den viel besseren Umfragen vor ein paar Wochen, viel mehr erhofft hatten, räumte Roths Chefkollege Reinhard Bütikofer ein. Was er nicht einräumte: So sehr wie gestern hatten sie sich selten vor einer Landtagswahl gefürchtet. Die Grünen sind zur Zeit vor allem eines: Denkmalschützer.
Ihnen war klar: Zum ersten Mal seit der Regierungsübernahme würde jedes Prozentpünktchen weniger auf Fehler ihres Superstars Fischer zurückgeführt. Trotz des eigenen Zugewinns richten sich die grünen Strategen darauf ein, dass Fischer die Schuld an der Niederlage für Rot-Grün in Kiel zugeschrieben wird. Der Visa-Missbrauch sei nun mal das beherrschende Thema der letzten Wochen gewesen. Die SPD werde wohl, so die Befürchtung, insbesondere in der Einwanderungspolitik, kaum noch Rücksicht auf die Grünen nehmen.