: Wahlniederlage macht Schwarz-Gelb Mut
Die Wahl in Schleswig-Holstein erfreut besonders die Wahlverlierer von der FDP. Auch CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers sieht sich schon als Sieger. SPD-Landeschef Harald Schartau zeigt Nerven. Visa-Affäre zentrales Thema
DÜSSELDORF taz ■ Strahlende Gesichter bei CDU und Liberalen, Unruhe bei der SPD: Die Wahl in Schleswig-Holstein hat das politische Düsseldorf durcheinander gewirbelt. CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers feiert sich bereits als Sieger der Landtagswahl. „Wir können und werden gewinnen.“ Die „Propaganda“ des Hauptgegners SPD sei gescheitert, glaubt Rüttgers: „Die Sozialdemokraten sind nicht auf der Überhol-, sondern auf der Standspur.“
Rüttgers will mit einer „Strategie der Ehrlichkeit“ gewinnen, fordert den Bürgern „Opfer“ ab. Er stehe für die 40-Stunden-Woche, einschneidende Kürzungen der Subventionen für Kohle und Windenergie und das dreigliedrige Schulsystem. Auch die hohe Arbeitslosigkeit und die Visa-Affäre sollen die entscheidenden Stimmen für die Christdemokraten bringen: Die „Verletzung der Menschenrechte durch illegale Zuwanderung“ werde ein zentrales Wahlkampfthema, kündigt der CDU-Chef an.
Die Visa-Affäre nervt auch den SPD-Landesvorsitzenden Harald Schartau. Der Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestags müsse ein „möglichst schnelles Ergebnis“ bringen, appelliert er. Zwischen der SPD-Wahlniederlage in Schleswig-Holstein und den Vorwürfen des Visa-Missbrauchs bestehe ein klarer Zusammenhang – Teile der sozialdemokratischen Stammwählerschaft könnten Arbeitsplatzverluste durch osteuropäische Billigkräfte fürchten, warnt der SPD-Chef: „Malocher dürfen nicht den Eindruck bekommen, die sind in Fragen lax, die uns in existenziellen Fragen bedrohen.“
90 Tage vor der Wahl will Schartau deshalb Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Entwicklung in den Mittelpunkt des SPD-Wahlkampfs rücken – ganz so, als amtiere er nicht schon seit fünf Jahren als Landesarbeitsminister. „Wir werden alles unternehmen, um neue Beschäftigung nicht zu behindern.“ Dabei zielt Schartau auf den grünen Koalitionspartner, aber auch auf eigene Defizite. Das von SPD und Grünen im Bundestag beschlossene Antidiskriminierungsgesetz, dem die Düsseldorfer Koalition die Zustimmung im Bundesrat verweigert, dürfe nicht zum Beschäftigungshemmnis werden.
Bis zur Wahl stehe der SPD noch ein „dornenreicher Weg“ bevor, warnte Schartau gleich drei Mal. Die Sozialdemokraten hätten aber jede Chance, die Landtagswahl zu gewinnen, das „Rennen“ sei offen: „Nach wie vor ist es unsere Absicht, die Nase vorn zu haben.“
Die Grünen sehen das genauso: Die Wahl im Norden zeige, dass „jede Stimme zählt“, so Parteichef Frithjof Schmidt. In Schleswig-Holstein habe „keine Testwahl“ stattgefunden, sagt auch die Landesvorsitzende Britta Haßelmann – und zielt auch auf die SPD. Die Verluste der prominenten Ministerpräsidentin Heide Simonis machten klar, dass „das Konzept der Personalisierung nur begrenzt trägt“. Doch im Schatten der Visa-Affäre ist auch bei den Grünen von Stimmenzuwächsen keine Rede mehr. Wichtig sei die „Mobilisierung der Stammwählerschaft“, betont Haßelmann. Personelle Konsequenzen seien aber ausgeschlossen, findet Schmidt. „Ich habe Joschka Fischer immer sehr kritisch begleitet. Eine Diskussion um einen so genannten Übervater ist in dieser Situation völlig unangemessen.“
Doch auch Schmidt zielt in Richtung Koalitionspartner, bedauert in der Diskussion um die Castor-Transporte nach Ahaus und die Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) „politische Fehler“ der SPD. Notfalls werde die grüne Partei gegen den Ausbau der UAA klagen.
Die FDP als zweiter Verlierer der schleswig-holsteinischen Wahl kennt diese Probleme nicht. Trotz Verlusten von einem Prozent gaben sich der Landesvorsitzende Andreas Pinkwart und Fraktionschef Ingo Wolf geradezu euphorisch. Die SPD sei „ausgebrannt und politisch am Ende“, sagt Wolf. Das Wahlziel von „zehn Prozent plus x“ sei erreichbar. Das Gleiche hatte auch Schleswig-Holsteins FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki behauptet – bevor die Liberalen die Wahl mit schwachen 6,6 Prozent vergeigten.
ANDREAS WYPUTTA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen