: Das farbenfrohe Wir im Norden
Hamburg und Schleswig-Holstein werden ihre Zusammenarbeit intensivieren. Wen die WählerInnen an Elbe und Förde regieren lassen, ist dabei zweitrangig. Auch ein vierfarbiges Schwarz-Rot-Grün-Weiß ist auf dem langen Weg in den Nordstaat
Eine Analysevon Sven-Michael Veit
Eigentlich kann es Hamburg weitgehend egal sein, wer in Schleswig-Holstein regiert. Und umgekehrt auch. Nebeneinander herwurschteln geht eh nicht mehr, diese Erkenntnis hat sich binnen weniger Jahre an der Elbe wie an der Förde durchgesetzt. Leere Kassen hier wie dort sind ein Grund, die Konzentrationsprozesse in der Wirtschaft, denen die Politik auch im Norden hinterherhinken, sind der zweite. Der wichtigste Grund aber ist die politische und ökonomische Dynamik im Ostseeraum, die schon seit langem erkennbar ist und spätestens seit der Osterweiterung der EU vor einem knappen Jahr unübersehbar wurde. Mit Kleinstaaterei ist da kein Staat mehr zu machen, auch kein Nordstaat.
Zu verflochten sind bereits die Beziehungen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, als dass parteipolitische Farbenlehre für mehr als allerhöchstens ein paar Akzente sorgen könnte. Ein rot-grünes Minderheitskabinett in Kiel, toleriert vom dänisch rot-weißen SSW, würde Hamburgs CDU-Senat nicht irritieren. Mit Schwarz-Gelb gäbe es zwar gut nachbarliche Beziehungen, mehr aber auch nicht.
Dass Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinen Parteifreund Peter Harry Carstensen nicht sonderlich ernst nimmt, teilt er mit seinem niedersächsischen Kollegen Christian Wulff ebenso wie die wenig ausgeprägte Sympathie für den alerten Freidemokraten Wolfgang Kubicki. Persönlich miteinander zu können, ist aber auch in der Politik noch immer ein Machtfaktor.
Heide Simonis (SPD) und von Beust können miteinander, das ist seit gut zwei Jahren augenfällig. Am 4. Februar 2003 verkündeten sie nach einer gemeinsamen Sitzung beider Regierungen – der seitdem mehrere folgten – im Hamburger Rathaus „weit reichende Entscheidungen“, schwärmten von einem „Modellfall“ und bemühten bedeutungsschwanger gar den Beginn „einer neuen Ära“. Nicht zu Unrecht.
Die Fusion der beiden Landesbanken zur gemeinsamen HSH Nordbank gaben die beiden bekannt; die Fusion der Statistischen Landesämter und der Eichämter sowie die Gründung eines gemeinsamen Amtes für Informationstechnik folgten im Monatsrhythmus, 30 weitere Projekte wurden verabredet. Eng ist seitdem die Abstimmung in der Ostseepolitik, beim Autobahnbau inklusive einer Fehmarnbelt-Querung, in der Hafenpolitik, bei der Elbvertiefung oder der Umgestaltung des Hochschulwesens in Norddeutschland.
Sämtlich sind dies Themen, bei denen der Gestaltungsspielraum von Landesregierungen immer geringer wird. In der norddeutschen Energiepolitik bestimmen Vattenfall Europe und E.on Hanse die Richtung, alle großen Werften wehren sich im neu gegründeten Verbund gegen die Billigkonkurrenz aus Korea, und die Hamburger Arbeitsagentur ist eh nur noch eine Zweigstelle der Kieler Zentrale.
Das alles ist noch weit entfernt von der Verwirklichung blutleerer Gebilde wie eines Nordstaates, das alles sind Elemente unwiderruflichen Zusammenwachsens in der realen Welt. Und deshalb weitestgehend unabhängig von machtpolitischen Fragen wie Regierungsbildungen und Parlamentsmehrheiten.
Die interessieren zwar, kein Zweifel, im Hier und Jetzt, und vollkommen unwichtig sind sieauch nicht. Dass Simonis Deutschlands einzige Ministerpräsidentin, Carstensen auf seiner Insel Nordstrand und Kubicki in der Opposition bleibt und die Grünen weiter mitregieren dürfen, ist von Belang. Dass der SSW Rot-Grün toleriert, ebenfalls. Er wird es tun.
Und der Hamburger CDU-Senat dann auch.