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Archiv-Artikel

Kein Ausstiegsszenario

INVESTITIONSMONSTER Morgen eröffnet das Wissenschaftsmuseum „Klimahaus“. Die 100 Millionen Euro teure Öko-Schau ist zum Erfolg verdammt. Scheitert sie, droht Bremerhavens Stadtenwicklungsoffensive der Ruin

VON CHRISTIAN JAKOB

Bob Geldof wird kommen und die Festrede halten, über „Klimaschutz und Klimawandel im internationalen Blickwinkel“. Dass Geldof bislang eher durch Singen und Spendensammeln statt durch Klimaforschung auf sich aufmerksam gemacht hat, macht nichts: Der Ire bringt etwas Glanz nach Bremerhaven, und vor allem darauf kommt es an, wenn morgen das „Klimahaus 8° Grad Ost“ nach vierjähriger Bauzeit eröffnet wird.

Die 12.000 Quadratmeter große Schau zeigt die Klimazonen und die teils verheerenden Auswirkungen der Erderwärmung entlang des achten Längengrades. Sie ist die letzte, teuerste und größte Attraktion der Bremerhavener Stadtentwicklungsoffensive „Havenwelten“ – und somit entweder Rettungsanker oder Sargnagel der wirtschaftlich gebeutelten Nordseestadt.

Mit 600.000 Besuchern im Jahr rechnet die Betriebsgesellschaft – das sei „kein Problem“, sagt deren Sprecher Wolfgang Heumer. Eine Art Öko-Multimedia-Reise rund um die Welt, Simulatoren zum Spritspar-Training – solche Dinge sollen vor allem Nordseeurlauber locken.

Der Bau komplettiert ein Tourismus-Ensemble in einer einstigen innerstädtischen Hafenbrache an der Wesermündung. 2000 eröffnete hier das erweiterte Schifffahrtsmuseum, 2004 der „Zoo am Meer“, 2005 das „Deutsche Auswandererhaus“, das letztes Jahr den europäischen Museumspreis gewann. 2008 kam das segelförmige „Sail City“-Hotel mit angeschlossenem Kongresszentrum hinzu, kurz darauf ein Einkaufszentrum. 260 Millionen Euro waren von der Politik bewilligt worden, um mit den „Havenwelten“ die von Rekordarbeitslosigkeit geplagte Stadt als Reiseziel aufzubauen.

Mit dem größten Teil dieses Geldes errichtete die stadteigene Projektentwicklungsgesellschaft BEAN das Klimahaus für eine private Betreiberfirma.

An ein Scheitern wagt nun niemand zu denken: „Das Klimahaus wird eine einzigartige Institution, mit der wir ähnliche Erfolge feiern werden wie mit dem Auswandererhaus“, sagt etwa der Vorsitzende der FDP-Stadtverordnetenfraktion, Mark Ella. Und dennoch: „Die Finanzierung des Baus ist eine Katastrophe.“ Schon vor einem halben Jahr sei von Kostensteigerungen „gemunkelt“ worden, auf Nachfrage hätten die Abgeordneten nur zur Antwort bekommen, dass „die Kosten schon irgendwann offengelegt“ würden.

Ende Mai war es so weit: Bürgermeister Jörg Schulz (SPD) räumte ein, dass die „Havenwelten“ 60 Millionen Euro zusätzlich, insgesamt 320 Millionen verschlingen. Wie viel davon genau auf das Klimahaus entfällt, ist unklar, es kursiert die Zahl von 100 Millionen. „Das kann man noch nicht benennen“, sagt BEAN-Geschäftsführer Alfred Lüneburg. Erst seien juristische Auseinandersetzungen abzuwarten. „Es könnte aber irgendwann mal rauskommen, dass wir die 100 Millionen nicht erreichen.“

Für Ella ist trotzdem klar: „In der freien Wirtschaft wären da Köpfe gerollt.“ Am 10. Juni beschloss die Wirtschaftsdeputation den Einsatz eines Sonderermittlers, der aufklären soll, „wer wann von was gewusst hat – vor allem auch, um das Klimahaus aus der negativen Presse zu bringen“, sagt Ella. Linkspartei und CDU reicht dies nicht: Sie wollen sofort einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Ein ganz anderes Problem ist damit noch gar nicht berührt. Kommen die Besucher nicht, bleibt die Stadt auf dem sündhaft teuren Bau, der kaum für eine andere Nutzung geeignet sein dürfte, sitzen. „Dann suchen wir uns eben einen anderen Betreiber“, sagt Lüneburg. Wie viele Jahre der Besucherstrom anhalten muss, bis Pacht- und Tourismuseinnahmen die „Havenwelten“-Investitionen rentiert haben, will er nicht sagen. Es handele sich um eine „regionalwirtschaftliche Betrachtungsweise, alles was man daraus nun ableiten würde, wären unseriöse Spekulationen“.

Beim Klimahaus will man nicht über den Worst Case reden: „Darüber macht sich hier niemand Gedanken“, sagt Sprecher Heumer. „Wir sind hier angetreten um das Ding zu betreiben, wir sind ein Spezialunternehmen und wir werden das erfolgreich tun.“ Deshalb gebe es „nur ein Einstiegs- und kein Ausstiegsszenario“.