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Archiv-Artikel

UN-Chef geht wegen Sexaffäre

Flüchtlingshochkommissar Ruud Lubbers tritt nach Bekanntwerden internerUN-Untersuchungen über Vorwürfe sexueller Übergriffe am eigenen Personal zurück

BERLIN taz ■ Frau A wurde von Ruud Lubbers nach Hause eingeladen und „in einer sexuellen Weise“ berührt. Frau B wurde von Ruud Lubbers auf einer Veranstaltung gegen ihren Willen an seinen Körper gepresst. Frau C musste Ruud Lubbers wegschubsen, als er sie betätscheln wollte. Frau D bekam von Ruud Lubbers die Auskunft, er sei „einsam“ und sie solle in sein Hotel kommen. Am Sonntagabend ist Ruud Lubbers, Chef des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, zurückgetreten. Die vier Frauen, deren Anschuldigungen ihn das Amt gekostet haben, gehörten zum UNHCR-Personal.

Die Frauen machten ihre Aussagen vertraulich gegenüber einem Ermittlerteam der UN-internen Untersuchungsbehörde OIOS, das Anfang 2004 Vorwürfen sexueller Belästigung durch den höchsten Flüchtlingsschützer der UNO nachging. Einzelheiten des 15 Seiten langen internen OIOS-Berichts wurden am Freitag von der britischen Zeitung Independent zum ersten Mal veröffentlicht. Damit wurde die Position des Niederländers Ruud Lubbers, der in anglophonen Kreisen den bösen Spitznamen „Lewd Rubbers“ („lüsterne Gummis“) hat, untragbar.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte nach Lektüre des OIOS-Abschlussberichts im Sommer 2004 lediglich eine Verwarnung gegen Lubbers ausgesprochen. Gegenüber dem Independent ärgerte sich Lubbers, der Bericht hätte vertraulich bleiben sollen und die darin enthaltenen Vorwürfe seien unbegründet.

Lubbers, 1982–1994 Premierminister der Niederlande, hatte sein Amt 2001 angetreten und war 2003 bestätigt worden; seine reguläre Amtszeit läuft bis Ende 2005. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn hatte Annan ihm zunächst die Zusage abgerungen, danach nicht erneut anzutreten. Aber die UNO steht derzeit wegen der Korruptionsvorwürfe beim Oil-for-Food-Programm im Irak und sexuellen Übergriffen durch UN-Soldaten im Kongo unter Druck. Kofi Annan sagte gestern, Lubbers’ Rücktritt sei „im besten Interesse des UNHCR“.

Zu Beginn von Lubbers’ Amtszeit stand bereits ein Skandal um UNHCR-Mitarbeiter in Westafrika, die Flüchtlingen Hilfsgüter nur gegen sexuelle Dienste ausgaben. Damals hatte Lubbers gesagt: „Ich verlange eine Null-Toleranz-Politik gegenüber sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt.“ In seinem Abschiedsbrief an Annan schrieb Lubbers nun, er sei „getroffen und verletzt“. DOMINIC JOHNSON