: Arbeitszeitkonto ohne Dispo
Die Fraktionen der Regierungskoalition von SPD und Grünen stellen heute einen Antrag auf Lebensarbeitszeitkonten im öffentlichen Dienst. Kritiker aber bemängeln fehlende Rücklagen
VON ELMAR KOK
Die Landesregierung wünscht sich für die Beamten und Angestellten des öffentlichen Diensts in NRW mehr Flexibilität und regt eine breite politische Debatte um Lebensarbeitszeitkonten an. Heute stellt die rot-grüne Regierungskoalition im Landtag einen Antrag, der neben der Angleichung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auch die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten zur Folge haben soll.
Der „Initiativantrag“, wie der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Rüdiger Sagel, das Papier nennt, solle vor allem dazu beitragen, die Debatte um Arbeitszeitkonten, „die ja im Bündnis für Arbeit verankert worden sind“, so voran zu bringen, „dass bis zum Ende des Jahres konkrete Ergebnisse zu erwarten sind“. Der Antrag sieht vor, dass Arbeitnehmer – seien es Beamte oder Angestellte – sich Arbeitszeitguthaben erarbeiten können, wenn sie über die tariflich geregelte Arbeitszeit hinaus Dienst tun.
Das so entstehende Guthaben sollen sie später über Sabbatjahre, Fortbildungen oder beispielsweise zusätzliche Erziehungsjahre aufbrauchen können. Zudem solle es möglich sein, früher in den Ruhestand zu gehen, oder wöchentlich weniger zu arbeiten. Welches Modell dazu benutzt wird, das Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto aufzubrauchen, solle jedem Beschäftigten selbst überlassen bleiben. Einzige Einschränkung: Der Arbeitgeber kann betriebliche oder dienstliche Erfordernisse geltend machen, um die Wünsche des Arbeitnehmers einzuschränken. Zudem soll er auch auf Ausgleich des Kontos drängen können. Während es in der freien Wirtschaft, an die sich das Modell des öffentlichen Dienstes anlehnen soll, schon Standards gibt, müssen für das Landesmodell noch viele Fragen geklärt werden. Ungeklärt ist bisher noch, ob ein solches Konto in Arbeitszeit oder in Gehalt geführt werden könnte. Fragen nach der Verzinsung von geleisteter Arbeit bleiben momentan ebenfalls ungeklärt.
In der freien Wirtschaft gibt es längst Modelle, die die Entnahme von mehr geleisteter Arbeit regeln. So müssen im Handwerk mindestens 20 Arbeitstage durchgehend entnommen werden, die Entlohnung richtet sich dann am gerade gültigen Tarifvertrag. Das Konto wird durchweg als Zeitkonto geführt, Guthaben werden am Ende eines Jahres gutgeschrieben. Die Koalition rätselt noch darüber, wie so genannte Störfälle, beispielsweise die Beendigung des Beamten- oder Angestelltenverhältnisses, der Wechsel in die freie Wirtschaft oder Tod des Beamten innerhalb der Kontoführung zu managen seien. Zu den im Antrag aufgeworfenen Fragen sagt Angela Freimuth, finanzpolitische Sprecherin der Landtags-FDP, sagt dazu: „Der Antrag enthält eine halbe Seite Fragen, insofern sollte die Koalition lieber eine Anhörung beantragen.“ Auch die CDU bemängelt den Antrag. „Das ist kein Antrag, sondern ein Fragenkatalog“, sagt Manfred Palmen, Sprecher des Unterausschusses Personal.
Ulrich Silberbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Beamtenbundes in NRW bemängelt, dass für das Konzept keine Mittel da seien. „Für dieses Modell hat die öffentliche Hand gar keine Rückstellungen gebildet“, sagt er. Zudem habe SPD-Wirtschaftsminister Harald Schartau schon vor einem halben Jahr gesagt, das Lebensarbeitszeitkonten-Modell sei im öffentlichen Dienst nicht finanzierbar. Dass das Land so etwas nicht bewirtschaften könne, ließe sich leicht an der Situation der Lehrer in NRW feststellen, für die auch die Pensionsrückstellungen fehlten. Zudem habe das Land die Frühpension von Lehrern mit höheren Abschlägen versehen, so das die Zahlen in diesem Bereich deutlich zurückgegangen seien. Insgesamt sei der Apparat des Landes wahrscheinlich zu groß, um ein vernünftiges Kontenmanagement durchführen zu können, vermutet Silberbach. „Dass können Sie vielleicht in öffentlichen, städtischen Betrieben wie Stadtwerken oder Entsorgern machen, im gesamten öffentlichen dienst ist so etwas nicht möglich.“