: berliner szenen Verpatzter Kabelkauf
Dussmann ist dunkel
Wir leben in einer Weltstadt. Da muss es doch möglich sein, dass man sonntags ein verdammtes Scartkabel kriegt. Dachte ich, während ich durch die Stadt hetzte. Denn ich will, obschon ich es meistens nicht bin, ein guter Gastgeber sein; und weil ich es selten bin, will ich es umso mehr sein. An der Hermannstraße hoffte ich auf Erfolg, da in den diversen Telekom- und Spätkaufläden alles zu kaufen ist, vom Kaugummi bis zum Hundewelpen – warum nicht auch Scartkabel?
Doch der Reihe nach. Ich hatte einen DVD-Recorder besorgt. Und ein Kabel. Ich hatte einen Heimkinoabend versprochen, „Jazzclub“ von Helge Schneider sollte gegeben werden, ein Test der Nervenstärken und eine Höflichkeitsprobe. Doch das gekaufte Kabel war das falsche, Antenne statt Scart, ich kenne mich mit so was nicht aus.
Als sich die Hermannstraße als Fehlschlag erwiesen hatte, ließ ich mich zum Potsdamer Platz schaukeln, umsteigen am Alex, doch der Kaufhof dort, einst Vorkämpfer im Sonntagsgeschäftemachen: heute geschlossen. Potsdamer Platz Arcaden, viele Leute. Hoffnung. Doch die 7.000 Flaneure sind der Eisdiele wegen gekommen. Wieder in die S-Bahn, Friedrichstraße, hilft Dussmann? Dussmann ist dunkel. Zurück, Ostbahnhof, alles wird dort verkauft, Schuhe, Würste, Brillenputzmittel, doch das, was man wirklich braucht, nicht. Selbst bei Rossmann nicht, nicht mal bei Tchibo im Minimal. Herrgottsack! Dann in Neukölln, Videothek, ich schleiche gebeugt hinein, geprügelt hinaus. Die Gäste kommen gleich. Mir ist zum Heulen. Am nächsten Tag, ich erzähle die Geschichte, lacht mein Kollege: Scartkabel? Hab ich hier. Brauch ich nicht. Oh ja, ich hasse diese Stadt. Alles ist zum Greifen nahe und doch stets unauffindbar! JÖRG SUNDERMEIER