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Archiv-Artikel

Angestellte lassen Tacker fallen

ver.di-Gewerkschaftsboss Frank Bsirske feuert die Warnstreiker im Ruhrgebiet an. Gegen längere Arbeitszeiten sollen die NRW-Landesbediensteten notfalls auch länger in den Ausstand treten

VON MARTIN TEIGELER

Alle Akten verstauben still, wenn der bürokratische Arm es will. Mehr als 5.000 NRW-Landesbedienstete beteiligten sich nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gestern an Protesten gegen Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden. „Das ist ein Praxistest“, sagte ver.di-Bundeschef Frank Bsirske über die Warnstreiks und drohte den Ländern mit einem längeren Arbeitskampf, falls sie bei ihren Forderungen blieben.

„Wir zeigen Aktionsfähigkeit, aber ich baue weiterhin auf eine Lösung am Verhandlungstisch“, so der oberste Dienstleistungsgewerkschafter Bsirske gestern bei einem Besuch in Bochum. Vor rund 2.500 Landesangestellten der Bochumer Hochschulen bekräftigte der Gewerkschaftsboss die Streikfähigkeit der NRW-Bediensteten. Die Sachbearbeiter, Regierungsbediensteten und Uni-Angestellten seien entschlossen, ein einheitliches Tarifrecht für die Bediensteten in Bund, Ländern und Kommunen durchzusetzen. „Wenn die Tarifgemeinschaft der Länder bei ihren Positionen bleibt, bleibt uns nichts anderes übrig“, hatte ver.di-Landeschefin Gabriele Schmidt vergangene Woche gedroht.

Hintergrund ist die Weigerung der Bundesländer, den Aschermittwochs-Tarifkompromiss zwischen ver.di, Bund und Kommunen zu übernehmen. Während NRW-Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) den Tarifabschluss vorsichtig lobte, will die Mehrheit der CDU-regierten Länder längere Arbeitszeiten und Kürzungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld knallhart durchfechten. „Wir müssen ausloten, was geht“, lobte Bsirske die moderaten Töne des NRW-Finanzministers. Auch Einzelabschlüsse mit verhandlungsbereiten Landesregierungen schloss der Arbeitnehmer-Vertreter gestern in Bochum nicht aus.

Gewerkschaft und staatliche Arbeitgeber hatten den Einstieg in eine leistungsbezogene Bezahlung und flexiblere Arbeitszeiten für die 2,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen vereinbart (taz berichtete, siehe Infokasten). Eine Tarifeinigung für die 900.000 Länderangestellten und -Arbeiter (davon rund 250.000 in NRW) steht indes weiter aus.

Von einer „sehr brisanten“ Lage sprach Monika Ludwig, ver.di-Geschäftsführerin im Bezirk Bochum-Herne. Mit der Kundgebung im Bochumer Audimax wolle man die Gewerkschaftsbasis über den Tarifkonflikt informieren und ein Zeichen der Stärke setzen, so Ludwig. Ob ver.di tatsächlich einen Arbeitskampf plant, erscheint fraglich. Kurz vor der NRW-Landtagswahl am 22. Mai dürfte der Gewerkschaft wenig daran gelegen sein, in einen politisch aufgeheizten Streik verwickelt zu werden. Zudem ist die Kampfkraft von ver.di geschwächt. Bundesweit hat die Ex-ÖTV im vergangenen Jahr mindestens 80.000 Mitglieder verloren. Der Organisationsgrad geht auch in den öffentlichen Verwaltungen seit Jahren zurück. „Das ist sehr unterschiedlich von Behörde zu Behörde“, sagte ver.di-Chef Bsirske auf Nachfrage über den Gewerkschafter-Anteil unter den Beschäftigten. Der liege zwischen „10 und 90 Prozent“.