Jenseits der Glasdecke

In Schleswig-Holstein wird voraussichtlich die weibliche Troika Simonis, Lütkes und Spoorendonk regieren. Die Frauen-Union-Chefin Karin Wiedemann müsste das eigentlich freuen. Tut es aber nicht

von Esther Geißlinger

Es ist eine von Heide Simonis‘ Lieblingsanekdoten: Wie jener ältere Mann bei einer Versammlung des Bauernverbands auf sie zukam und sagte: „Een eenzige Fru regeert dat wunnerschöne Land ganz alleen. Och ne, dat dörf doch nich sin!“ Der Mann muss sich nicht mehr grämen: Wenn es tatsächlich zur Lösung Rot und Grün plus SSW-Blau kommt, regieren drei Frauen ganz allein das wunderschöne Land zwischen den Meeren: Heide Simonis, Anne Lütkes, Anke Spoorendonk.

Schon in der Vergangenheit staunte alle Welt, vor allem der männlich-journalistische Teil, über die weibliche Doppelspitze Simonis/Lütkes. Kaum ein Interview, in dem sich die Regierungschefin nicht an der Frage abarbeiten musste, ob und wie und warum Frauen anders regieren. Jetzt könnte gar die weibliche Troika kommen – drei Engel für Schleswig-Holstein.

„Versöhnt mich das mit der Lage?“, fragt sich CDU-Politikern Karin Wiedemann und gibt selbst die Antwort: „Nein, eigentlich nicht.“ Die 56-Jährige ist Vorsitzende der Frauen-Union in Schleswig-Holstein, CDU- Ratsfrau in Schenefeld und designierte Justizministerin im Schattenkabinett des Peter Harry Carstensen. Wiedemann steht nicht unter Verdacht, die Positionen ihrer männlichen Parteifreunde vorbehaltlos nachzuplappern, im Gegenteil: Als das erste CDU-„Kompetenzteam“ aufgestellt wurde, protestierte sie gegen den geringen Frauenanteil, und sie weiß genau: „Von echter Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt. Natürlich kommen wir heute eine ganze Ecke weit, aber irgendwann stoßen wir an die gläserne Decke.“

Freude über die mögliche Frauen-Troika will bei ihr dennoch nicht aufkommen, nicht nur, weil die Minderheits-Lösung ihrer Partei die Regierung kostet: „Ich hatte das Thema noch gar nicht unter diesem Aspekt gesehen, und das hängt vielleicht damit zusammen, dass für die drei nicht frauenpolitische, sondern allgemeinpolitische Themen im Vordergrund stehen.“

So erinnert sie sich an eine Veranstaltung, bei der sie mit Heide Simonis auf dem Podium saß. Eine Frau aus dem Publikum klagte darüber, wie schwer es sei, nach der Babypause wieder in den Beruf zu kommen. Simonis habe damals, so Wiedemann, nur gesagt, die Frau hätte ihr Kind ja in einer Krippe abgeben und weiter im Beruf bleiben können.

„Die CDU hat natürlich andere Präferenzen in der Frauenpolitik“, sagt Wiedemann. Aber es sei auch den Männern in der Partei klar, dass „Frauen heute andere Bedürfnisse haben“, als sich nur um Haushalt und Kinder zu kümmern. Darum gehört zu den Hauptpunkten im Wahlprogramm die Forderung, Familie und Beruf müssten sich besser vereinbaren lassen.

„Ohne eine solide Finanz- und Sparpolitik kann auch eine weibliche Führungs-Troika keine tollen Frauenprojekte bezahlen“, meint Wiedemann. Und die gute Finanzpolitik traue sie der rot-grün-blauen Ampel nicht zu.

Die Frauen-Union ist mit 7.400 Mitgliedern die größte weibliche Politik-Gruppe in Schleswig-Holstein. Dennoch sei es manchmal schwer, den CDU-Frauen zu vermitteln, „dass wir nicht nur am Bratapfelstand stehen, sondern klar Politik machen wollen“, klagt Wiedemann. In allen Parteien gelte: „Die mangelnde Bereitschaft von Frauen, Netzwerke zu bilden, ist verheerend.“ Während Männer „schon auf dem Bolzplatz und später auf dem Golfplatz Absprachen treffen, meinen wir immer noch, wir könnten mit der besten Freundin auf dem Sofa sitzen und die Welt verändern“.

Am Ende zähle aber die Kompetenz: „Wer als Quotenfrau anfängt, muss nicht als Quotenfrau aufhören“, sagt die CDU-Politikerin, die davon ausgeht, dass sie ins Schattenkabinett kam, „weil Peter Harry dort Frauen braucht, aber auch, weil er wenige gute Juristen hat“.