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Archiv-Artikel

„So weit wie möglich vermeiden“

Das vom Bundestag verabschiedete Gentechnikgesetz macht strenge Auflagen. Doch eine gentechnische Verunreinigung ist nicht ausgeschlossen. Eine Koexistenz von natürlichen und Genpflanzen wird mittelfristig kaum möglich sein

VON MARKUS WILD

Für Verbraucher, die partout keine Lust auf genmanipulierte Lebensmittel haben, bringt die Zukunft kein Zuckerschlecken. Das Ende November vom Bundestag verabschiedete Gentechnikgesetz erlaubt den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zwar nur unter strengen Bedingungen, so dass dieses Frühjahr wohl nicht mehr als rund 100 deutsche Landwirte Genmais oder -raps aussäen werden; doch gentechnische Verunreinigungen könnten auf Dauer dazu führen, dass eine Trennung von Gentech-Pflanzen auf der einen Seite sowie biologischen und konventionellen Produkten auf der anderen nicht aufrechterhalten werden kann.

„Je mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, desto schwieriger wird eine strikte Trennung“, sagt Peter Röhrig vom Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). So sind die Möglichkeiten der Kontamination vielfältig: Im Saatgut, auf dem Feld, über gemeinsame Maschinennutzung bei Aussaat und Ernte, während Lagerung, Transport und Verarbeitung kann es zu Verunreinigungen kommen. Gerade beim Raps, dessen Pollen kilometerweit fliegen können und dessen Samen im Boden länger als zehn Jahre überdauern und dann immer noch auskeimen können, scheint eine Koexistenz zwischen natürlichen und Genpflanzen mittelfristig kaum möglich zu sein.

Daher beurteilt der BÖLW das Gentechnikgesetz auch zwiespältig: „Wir begrüßen einerseits die strengen Haftungsregelungen“, so BÖLW-Fachreferent Röhrig, „andererseits bleiben wir skeptisch, was die Absicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft anbetrifft.“ Positiv sei die im Gesetz festgelegte „verschuldensunabhängig geregelte Haftung“. Demnach kann der von einer Genverunreinigung betroffene Landwirt gegen einen der denkbaren Verursacher klagen. Kann die Schuldfrage nicht geklärt werden, werden unter Umständen mehrere Gentechnik-Bauern im Umfeld zum Ausgleich herangezogen.

Doch der Teufel steckt auch hier im Detail. „Ein Teil der entstehenden Kosten wird nicht umgelegt“, moniert Röhrig. So muss der Biobauer die Analyse, die er zur Zertifizierung seiner gentechnikfreien Lebensmittel benötigt, selbst tragen. „Beim Maisanbau kommen dadurch Mehrkosten von mindestens 7 Prozent zustande.“

Entsteht dem Biobauern durch eine Genverunreinigung nun ein wirtschaftlicher Schaden, so kann er die Differenz zum Preis für seine ökologischen Produkte einklagen. Doch zunächst muss der Geschädigte für die Rechtsanwaltskosten aufkommen – bei einer Schadenssumme von nur einigen hundert Euro werden sich viele Landwirte gut überlegen, ob sie vor Gericht ziehen. „Angesichts der geringen möglichen Gewinnspanne ist das Risiko hoch“, sagt Röhrig, der einen „schleichenden Einzug der Gentechnik in die Landwirtschaft“ befürchtet.

Allerdings bedeutet das für den BÖLW nicht, dass man den Kampf gegen die so genannte „grüne Gentechnik“ gleich aufgeben sollte. Der 2002 gegründete Bund, dem Verbände und Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette ökologischer Lebensmittel angehören – von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zum Handel –, versucht die Biobranche vielmehr auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Auf dem BioFach-Kongress organisiert der BÖLW am 25. Februar die Veranstaltung „Bioprodukte ohne Gentechnik“, auf der auch ein entsprechendes Praxishandbuch für Ökolandwirte, Verarbeiter und Händler vorgestellt wird. Die Leitfrage lautet dabei: „Wie lässt sich der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen in die Produktionsprozesse so weit wie möglich vermeiden?“ Eine Möglichkeit ist die vom BÖLW unterstützte Gründung „gentechnikfreier Regionen“. Diese freiwilligen Kooperationen sollen zudem nicht nur die Partnerschaft zwischen Bauern und Verbrauchern fördern, sondern auch helfen, Mehrkosten zu verringern.

Mit seinen Aktivitäten richtet sich der BÖLW nach den Bedürfnissen und Wünschen von Verbrauchern wie Landwirten, die jeweils mit deutlicher Mehrheit genmanipulierte Lebensmittel ablehnen – nicht zuletzt wegen der unkalkulierbaren Nebenwirkungen der Genprodukte. Selbst der Deutsche Bauernverband musste nach einer Umfrage eingestehen, dass 83 Prozent der befragten Landwirte ein „negatives Image“ durch den Anbau von Genpflanzen befürchten. Jüngste wissenschaftliche Publikationen zeigen jedenfalls ein weites Spektrum möglicher negativer Auswirkungen durch Genprodukte, und Umweltschützer befürchten, dass die gegen bestimmte Schädlinge resistenten Genpflanzen auf Dauer anderen Insekten und dem Boden schaden könnten.

Wichtig sei es jetzt, so Peter Röhrig vom BÖLW, dass im zweiten Teil des Gentechnikgesetzes die Bestimmungen, die im ersten Teil festgezurrt wurden, „nicht wieder aufgeweicht“ würden. Das betrifft vor allem die Verordnung zur „guten fachlichen Praxis“. Hier werden ganz praktische Dinge festgelegt, die gleichwohl wichtig sind; zum Beispiel welcher Mindestabstand bei der Aussaat zu benachbarten Kulturen einzuhalten ist, damit diese nicht durch Auskreuzung verunreinigt werden.