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Archiv-Artikel

Die Partypolizei rät

Die Polizei, dein Freund und Raver: Eine poptheoretisch überraschend versierte Studie aus dem Verlag für Polizeiliteratur verrät intime Kenntnisse unserer Ordnungshüter in der Technoszene

VON JÜRGEN KIONTKE

Es ist immer die Frage, ob eine Musikkultur irgendwann erledigt ist oder nicht. Richtig hart wird es für ein Musikgenre allerdings, wenn die ordnungspolitische Registratur als Abschlussbericht in Buchform vorliegt. Zu diesem Urteil kann kommen, wer sich das Werk „Techno – Professionelles Einsatzmanagement von Polizei und Ordnungsbehörden bei Veranstaltungen der Techno-Party-Szene“ anschaut – herausgegeben vom Verlag der Polizeiliteratur, der sonst Bücher über den Umgang mit Massenmordbuben und Frauenhändlern verantwortet.

Aber Polizei und Techno sind schon lange Zeit verbandelt. Das glauben jedenfalls die Autoren um den herausgebenden Regierungsdirektor Hartmut Brenneisen: „Spezielle Polizeieinheiten unterbanden Acid-Veranstaltungen und erreichten, dass die Szene in den Untergrund drängte und illegale Partys veranstaltete.“ Wenn zudem noch beklagt wird, dass ab 1993 eine strikte Kommerzialisierung des elektronischen Undergrounds eingesetzt habe, ist vor allem der polizeieigene Technochronist und Oberregierungsrat Andreas Koberstein nicht mehr allzu weit entfernt vom seinerzeitigen „Raverbashing“ der Band Atari Teenage Riot. H&M-Werbung mit Acid-Mädchen? „Damit droht Techno egalisiert und absorbiert zu werden und wird schon bald Platz machen für andere Jugendkulturen, die stärker dem jugendlichen Bedürfnis auf Abgrenzung und Protest entsprechen. Der augenblickliche Erfolg von HipHop mag ein Zeichen dafür sein.“

Nix mehr mit Milles Plateau-Sohlen – Scheiß-HipHop. Wer Polizisten bei Veranstaltungen wie G Move oder Love Parade jemals beobachtet hat, fragte sich vermutlich immer schon: Die wippen mit den Kampfstiefeln, haben so nette Einsatzkräfte-Shirts – die haben ihren Spaß hier. Und siehe da, Koberstein schreibt weiter: Techno-Anhänger seien keine abgewrackten Aussteiger. Stark vertreten hingegen: „Versicherungsvertreter, Arzthelferinnen, Beamtenanwärter.“

Dass es nun trotzdem angesichts der paar übrig gebliebenen Goa-Trance-Festivals noch einer Partypolizei bedarf – wie die Autoren raten, am besten mit Anbindung ans Landeskriminalamt Schleswig-Holstein bei der Zentralstelle Rauschgiftkriminalität – dürfte am Konsum illegaler Drogen liegen. Mittels Datenspeicherung und Errichtung von Dateien sei mit „antizipierter Repression“ zu agieren: Dealer werden im Vorfeld aus dem Verkehr gezogen. Die können hier nachlesen, was sie beim Brechmitteleinsatz erwartet. „Hier gilt: nemo tenetur se ipsum accusare – der Beschuldigte darf nicht dazu gezwungen werden, sich selbst zu belasten.“ Aber: „Die Abgrenzung zwischen passiver Duldung und aktiver Mitwirkung am Vorgang des Erbrechens vermag nicht recht zu überzeugen. Das Recht des Beschuldigten auf Passivität wird nicht dadurch berührt, dass er einen Eingriff zu erdulden hat, der lediglich unwillkürliche Körperreaktionen auslöst.“

„Unwillkürliche Körperreaktionen“, mag sich der staatliche Technokenner gedacht haben, werden auch nach drei Tagen Rave hervorgerufen – wie heißt es doch: „Musik hat in Kombination mit dem Tanzen eine stark stimulierende Wirkung. Die psychologische Funktion der Musik besteht darin, das Gefühlsleben und letztlich das Selbsterleben zu stimulieren oder zu dämpfen.“ Als Zielgruppe für das Buch gibt der Verlag an: Praktiker von Polizei- und Ordnungsbehörden, Justiz- und Sicherheitsgewerbe als auch die Studierenden der Polizeiführungsakademien. Die Popkritiker haben sie noch vergessen. Selten jedenfalls brachte ein Autorenteam eine Musikkultur so auf den Punkt – und ganz ohne die in Popbetrachtungen üblichen Verquastheiten!

Eins ist klar: An dem Buch kommt keiner vorbei, der sich Techno annähern will. Zu begrüßen wäre in diesem Sinne eine ganze Reihe mit poptheoretisch ähnlich versierten Büchern. Titel wie „HipHop – Professioneller Umgang mit rabiater Kaufsucht Minderjähriger“ würden den Verlag der Polizeiliteratur schmücken. Vielleicht lässt sich das Kapitel Musikgeschichte dann auch schließen.

Hartmut Brenneisen: „Techno. Professionelles Einsatzmanagement von Polizei- und Ordnungsbehörden bei Veranstaltungen der Techno-Party-Szene“. Verlag der Polizeiliteratur, Hilden 2004, 285 S., 19,90 €