: Deutschland kann sich Windkraft leisten
Studie der Deutschen Energieagentur: Ausbau der Windkraft ist machbar und bezahlbar. Mehr als 1.000 Kilometer Netzleitungen müssen dafür erneuert werden. Windenergieverband und Stromwirtschaft können mit dem Ergebnis leben
VON BEATE STRENGE
Der Ausbau der Windkraft auf etwa ein Fünftel der deutschen Stromproduktion ist technisch machbar und bezahlbar. Etwa 16 Euro pro Jahr müsste ein Privathaushalt mit 4.000 Kilowattstunden Verbrauch dafür im Jahr 2015 mehr bezahlen als heute.
Das ist das Fazit einer Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) zur „Energiewirtschaftlichen Planung für die Netzintegration von Windenergie an Land und Offshore“. Auftraggeber der Studie, die gestern vorgestellt wurde, waren die Bundesregierung sowie die Verbände der konventionellen Stromwirtschaft und der Windenergie.
Für Industriekunden wird sich nach Dena-Szenario in 2015 der Strompreis um 0,15 Cent pro Kilowattstunde verteuern, für Privatkunden zwischen 0,39 und 0,49 Cent. Darin enthalten seien sämtliche Kosten für den Windkraftausbau.
Die Veröffentlichung der Studie war wegen Streit unter den Auftraggebern mehrfach verschoben worden. Der Bundesverband Windenergie zeigte sich gestern aber zufrieden: „Das ist ein schönes Ergebnis. Es besagt, dass es kein Horrorszenario für unsichere Stromversorgung gibt und dass der Ausbau der Windkraft zu moderaten Kosten möglich ist“, sagte Pressesprecher Matthias Hochstätter der taz. Doch auch der Verband der Deutschen Elektrizitätswirtschaft sieht seine Windenergie-kritische Einschätzung bestätigt: Die Studie mache deutlich, dass „das ungezügelte Wachstum der Windkraft“ die Stromnetze derzeit bis an ihre Grenzen belaste.
Die Dena fordert, dass rund 400 Kilometer Netzleitungen verstärkt und 850 Kilometer neu gebaut werden müssen. Das werde rund 1,1 Milliarden Euro kosten. Besonders für Tage mit viel Wind reichten die Leitungen von den Nord- und Ostseeküsten auf Dauer nicht aus. Die Schwankungen zwischen Windspitzen und Flauten erforderten zudem mehr Regel- und Reservetechnik. Aufgrund der langen Genehmigungen müsse man schnell mit dem Netzausbau beginnen.
Der vorgesehene Ausbau der Windkraft mindert den Ausstoß von Treibhausgas. Im Jahr 2015 seien es zwischen 20 und 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger, heißt es in der Studie. Die Kosten für die Vermeidung einer Tonne CO2 betragen damit je nach Szenario 41 bis 77 Euro. „Das ist relativ viel“, sagte Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler. Andere Maßnahmen wie Wärmedämmung bei Häusern seien viel günstiger. „Wir müssen aber beides machen“, so Kohler. Die erneuerbaren Energien müssten ausgebaut, aber effizienter werden. „Das Ziel der Bundesregierung für 20 Prozent Ökostrom bis 2015 ist vernünftig“, stellte Kohler klar. Die Dena ist bei ihren Berechnungen von drei Szenarien ausgegangen; damit ist die Schwankungsbreite bei den Kosten zu erklären. Die ersten beiden Szenarios setzen Energiepreise von heute voraus, aber unterschiedliche Preise für die Tonne CO2 im Emissionshandel. Nur das dritte Szenario geht von höheren Energiekosten aus. „Die Datengrundlage ist ein Geburtsfehler der Studie“, meint Matthias Hochstätter vom Bundesverband Windenergie. „Niemand außer der Dena glaubt, dass die Rohstoffpreise stabil bleiben.“
Die Dena plant bereits eine weitere Studie. Netzstudie Teil II soll den Zeitraum von 2015 bis 2025 behandeln – wenn weitere Offshore-Anlagen auf See ans Netz gehen sollen. Zu der Studie konnten sich die Winderzeuger aber noch nicht entschließen. „Eon kann so eine Studie aus der Portokasse bezahlen, wir nicht“, sagt Hochstätter vom Windenergieverband.
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