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Archiv-Artikel

Schnelle Pelle

WELTREKORD Olympiasiegerin Britta Steffen schwimmt, getragen von ihrem Schwimmanzug, zu einer Bestmarke über 100 m Kraul

VON ANDREAS MORBACH

Für ihren Weltrekord hatte sich Britta Steffen mit einem Donnerstagvormittag zwar einen wenig aufregenden Moment ausgesucht, dafür kam der Doppelolympiasiegerin von Peking gestern aber immerhin das Programm des Schwimmverbands ein wenig entgegen. Unter dem Motto „Kleine Stars treffen große Stars“ hatte der nationale Verband am zweiten Tag der deutschen Meisterschaften einen Jugendwettkampf angesetzt. Und so saßen immerhin viele Eltern der Nachwuchsschwimmer auf der Tribüne, als Britta Steffen vor kleiner, aber lautstarker Kulisse zu einer Bestzeit über 100 Meter Freistil flog.

52,85 Sekunden benötigte die 25-Jährige für die zwei Bahnen Kraul – und damit war ihr im Eiltempo gelungen, was sie auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2012 als „eher mittelfristiges Ziel“ ausgegeben hatte. „Mein sportliches Ziel ist es, über 100 Meter Freistil unter 53 Sekunden zu schwimmen“, betonte Steffen kurz vor den nationalen Titelkämpfen. Da lag ihre Bestzeit noch bei 53,05 Sekunden. Zu olympischem Gold über diese Strecke reichten der Studentin des Wirtschaftsingenieurwesens im Vorjahr noch 53,12 Sekunden.

Jetzt war sie deutlich schneller, das große Glücksgefühl mochte sich bei Steffen in der Berliner Schwimmhalle aber trotzdem nicht einstellen. Da genügte schon ein kurzer Blick den schlanken Körper entlang, den eines jener ominösen Textilien bekleidete. Puristen möchten diese Anzüge, die aus Schwimmern Korken mit Düsenantrieb machen, am liebsten komplett aus der Welt der Bahnenzieher verbannen. „Da kann man nicht meckern, wa?“, plapperte Steffen angesichts ihrer famosen Zeit munter drauf los, widmete sich dann aber mit ernsterer Miene ihrer Badebekleidung: „Dieser Anzug ist im nächsten Jahr nicht mehr erlaubt – was auch gut ist, denn diese Materialschlacht macht den Schwimmsport kaputt.“

108 Weltrekorde wurden im olympischen Jahr 2008 geschwommen, und weil keiner so ganz genau weiß, zu welchem Prozentsatz diese Marken den Hightech-Anzügen zuzuschreiben sind, hat der Weltverband Fina in einem ersten Schritt bestimmte Normen für die Beschaffenheit der Rennanzüge festgelegt. Vor wenigen Tagen folgte dann die Fortsetzung: Manches Textil wurde zugelassen, manch anderes nicht. Der eine in jüngerer Vergangenheit geschwommene Weltrekord hat Bestand, der andere wurde aus den Listen gestrichen.

Das Ganze hat zu einem heillosen Durcheinander geführt. Die traditionell vom Ausrüster Speedo versorgten Australier fühlen sich einen Monat vor den Weltmeisterschaften in Rom empfindlich benachteiligt. Alan Thompson, der Cheftrainer der australischen Schwimmer, bezeichnete das gesamte Prozedere der Fina um die Zulassung von Anzügen als „reine Zeitverschwendung“, und selbst Britta Steffen, die von ihrem frisch aufgemotzten Adidas-Schwimmdress immens profitierte, meinte nachdenklich: „Ich bin nicht so euphorisch, weil noch viele Weltrekorde fallen werden.“

Dann schwamm sie sich kurz aus, ging anschließend nach Hause in ihre Berliner Wohnung – und will sich nach ihrem freien Freitag erst am Wochenende wieder in der Stätte der laufenden WM-Qualifikation blicken lassen. Das Problem der zügigen Regeneration, weswegen Steffen bei den Peking-Spielen auf einen Start in der 4 x 200-m-Freistilstaffel verzichtet hatte, dürfte sich dank ihrer neuen Schwimmkleidung diesmal jedoch in Grenzen halten. Staunte die frischgebackene Weltrekordlerin gestern doch: „Das ist das krasseste Teil, das ich je getragen habe. Du stirbst nicht auf den letzten Metern, du hast keine Schmerzen.“

So ist Britta Steffen, ohne sich völlig zu verausgaben und trotz der harten Qualifikationsnormen des DSV, bereits zu ihrem WM-Ticket gekommen. Auch, wie sie offen zugibt, dank ihrer aufgedonnerten Berufskleidung. „Vor einem Jahr“, sagte sie kurz vor der WM-Qualifikation im Gespräch mit der taz, „wollte ich mich, ehrlich gesagt, mit dem Thema Anzüge nicht so auseinandersetzen. Ich will es auch jetzt nicht, weil man sich damit selber ein Bein stellt. Wenn man sich einredet, dass man ohne den Anzug nicht mehr schnell schwimmen kann. Ganz viele wechseln plötzlich ihren Ausrüster, schwimmen mal in dem, mal in dem Anzug.“ Mit Loyalität, so die Adidas-Getreue, habe das nichts mehr zu tun.