Parteitag im Schatten Fischers

Der mit Spannung erwartete Auftritt Joschka Fischers wird den Programmparteitag der Landes-Grünen überlagern. Der Außenminister will in der Visa-Affäre „inhaltlich und politisch kämpfen“

VON ANDREAS WYPUTTA

Der Medienrummel wird gewaltig sein. Rund 400 Journalisten haben sich für den Kölner Landesparteitag der Grünen an diesem Wochenende angemeldet – ihnen stehen gerade einmal 280 Delegierte gegenüber. „Diesmal wird‘s wirklich ein Popkonzert“, sagt ein Landtagsabgeordneter lachend. Schon die Choreografie soll für Spannung sorgen: Erst reden die Stars der Landes-Grünen, Umweltministerin Bärbel Höhn und Michael Vesper, Kulturminister und stellvertretender Ministerpräsident. Ihnen folgt um 12 Uhr Bundesaußenminister Joschka Fischer – High Noon im Kölner Gürzenich.

„Ein paar sehr klare Worte“ hat der durch die Visa-Affäre unter Druck stehende grüne Superstar angekündigt. „Fischer wird kämpferisch darlegen, wie er die aktuelle Lage sieht – inhaltlich und auch politisch, was die Debatte um seine Person angeht“, kündigt der Sprecher des grünen Landesverbands, Michael Ortmanns an. Noch einmal werde der Außenminister klarmachen, dass er sich seiner Verantwortung in der Affäre rund um die Visa-Ausgabepraxis der Botschaft in Kiew stellen, ist in Düsseldorf zu hören. „Gottvater“, wie Fischer parteiintern genannt wird, will den grünen Wahlkämpfern im größten Bundesland Mut machen.

Und dazu gehören auch klare Ansagen in Richtung SPD. „Nur gemeinsam“ könnten Sozialdemokraten und Grüne die anstehenden Wahlen gewinnen – Fischer zielt in Richtung des nordrhein-westfälischen SPD-Vorsitzenden Harald Schartau. Der hatte kritisiert, Fischer sei „in einer Weise aufgetreten, die alles andere als überzeugend war“. Gerade die SPD verliere Wähler, wenn der Eindruck entstehe, „die Regierung lasse in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit massenweise Fremde in‘s Land, die der Bevölkerung dann als Schwarzarbeiter die Arbeit wegnehmen“, hatte Schartau schon am Montag in einer ersten Stellungnahme zur schleswig-holsteinischen Landtagswahl geklagt. Unterstützung bekam Schartau vom rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck. Seine Partei dürfe „sich nicht allein auf Rot-Grün versteifen“, findet Beck, der in Mainz einer sozialliberalen Koalition vorsteht.

Ernst genommen werden Schartau und Beck aber nicht. Nordrhein-Westfalens SPD-Chef agiere „wie ein aufgeregtes Huhn“, ist aus grünen Parteikreisen zu hören. Auch das „dumme Geschwätz“ Becks gefährde Rot-Grün weder auf Bundes- noch auf Landesebene: „Die Koalition wackelt nicht, nur weil Herr Schartau zu spät in‘s Bett geht“ – dabei hatte auch der stellvertretende Ministerpräsident Vesper Nerven gezeigt und schnelle Aufklärung der Visa-Affäre verlangt.

Dennoch schwankt die Stimmung etwa in der grünen Landtagsfraktion zwischen Wut auf Schartau und Frust über die Berliner Querschüsse, die den Landesgrünen „seit fünf Jahren“ die Wahlergebnisse verhagelten. „Ich wundere mich über Schartaus Angriffe auf Fischer“, schäumt der stellvertretende Fraktionschef Reiner Priggen. Statt sich über die Auswirkungen der Visa-Affäre zu äußern, solle sich Schartau, der auch NRW-Minister für Wirtschaft und Arbeit ist, um die EU-Dienstleistungsrichtlinie kümmern, die den Arbeitsmarkt für Billigstkonkurrenz aus den neuen EU-Staaten öffnet. „Schartau sollte lieber zusehen, das er das Problem der modernen Sklavenhaltung etwa in Schlachthöfen in den Griff kriegt“, sagt Priggen.

Doch andere Landtagsabgeordnete geben sich nachdenklicher. „Völlig berechtigt“ sei die Kritik der Parteilinken an den Hartz-Gesetzen oder der überzogenen Steuersenkungspolitik der Rot-Grünen Koalition auf Bundesebene gewesen – jetzt drohe eine nicht enden wollende Hartz-Debatte, und selbst der als wirtschaftsfreundlich geltende sozialdemokratische NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück klage, dass die Biersteuer mehr einbringe als die Körperschaftssteuer. „Berlin fällt uns regelmäßig in den Rücken“, so die Meinung mancher Parteilinken. Der Ärger über „die strategischen Fehler in Berlin“, für die besonders die Bundesparteichefin Claudia Roth und Geschäftsführerin Steffi Lemke stehen, bleibt riesengroß: „Wir haben Leute in Berlin, die da nicht hingehören.“