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Archiv-Artikel

Längere Atomlaufzeiten bedrohen Ökoenergien

ENERGIE Wissenschaftler widerlegen die These von Atombetreibern, ihre Meiler seien gut fürs Klima

BERLIN taz | Wenn die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängert würden, wäre der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien bedroht. Dadurch wären Arbeitsplätze ebenso gefährdet wie die Klimaschutzziele. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Der Strom würde durch die Laufzeitverlängerung kaum billiger, heißt es weiter in der Studie, die der taz vorliegt.

Weil Atomkraftwerke beim Betrieb stets die gleiche Menge Strom liefern, und nicht wie etwa Gaskraftwerke je nach Bedarf herauf- oder heruntergefahren werden können, sei ihr Betrieb nicht kompatibel mit ungleichmäßig anfallendem Wind- oder Solarstrom, schreiben die Autoren: „Eine Laufzeitverlängerung würde den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich erschweren und reduziert auch die mit erneuerbaren Energien verbundenen positiven Effekte.“

Bisher garantiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz, dass Strom aus regenerativen Quellen zu garantierten Preisen ins Netz eingespeist wird und stets Vorrang vor anderem Strom hat. Durch das starke Wachstum der erneuerbaren Energien müssen konventionelle Kraftwerke darum immer häufiger ihre Leistung reduzieren oder vom Netz gehen, was bei AKWs nicht möglich ist. Um diese bei einer Laufzeitverlängerung weiter profitabel betreiben zu können, würde es großen Druck geben, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu ändern, heißt es in der Studie. Nicht nur ein Teil der 280.000 Arbeitsplätze, die durch die Nutzung erneuerbarer Energien (EE) bisher entstanden sind, und die deutsche Technologieführerschaft wären bedroht, wenn der weitere Ausbau der Branche gestoppt würde. Auch die deutschen Klimaziele wären dadurch gefährdet: „Ohne diesen schrittweisen Ausstieg wäre es sehr schwierig, den Anteil der EE bis 2020 auf mindestens 30 Prozent […] zu steigern“, schreiben die Autoren des Wuppertal Instituts.

Damit widerspricht die Studie der Argumentation der Atombetreiber, die stets die Klimafreundlichkeit ihrer AKWs betonen und diese als Verbündete der Erneuerbaren sehen. „Eine Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken wäre ein großer Gewinn für den Klimaschutz“, hatte etwa Eon-Vorstand Christoph Dänzer-Vanotti in dieser Woche der Rheinischen Post gesagt.

Anders als von den Unternehmen dargestellt, würden auch die Stromkunden nicht von längeren AKW-Laufzeiten profitieren. Zwischen 2011 und 2020 würden bei einer Verschiebung des Ausstiegs um acht Jahre etwa 3 bis 4 Milliarden Euro jährlich als Zusatzgewinne bei den Betreibern anfallen. „Diese Zusatzeinnahmen würden allerdings nicht zu direkten (zumindest nicht signifikanten) Strompreissenkungen führen“, heißt es in der Studie. Grund dafür ist, dass die Preise an der Strombörse in Leipzig gebildet werden, wo stets das teuerste Kraftwerk den Preis bestimmt. MALTE KREUTZFELDT