: Fatale Hilfsbereitschaft
MAISFELD-PROZESS Das Landgericht Stade hat eine Frau aus Hamburg wegen Totschlags zu vier Jahren Haft verurteilt. Sie hatte eine Rentnerin erwürgt und behauptet, es auf deren Wunsch getan zu haben
Die Angeklagte schluckt, als sie das Urteil vernimmt. Vier Jahre Haft wegen Totschlags in einem minderschweren Fall. Die 52-Jährige aus Hamburg hatte gestanden, die Nachfahrin einer Kaffee-Dynastie in einem Maisfeld erwürgt zu haben, will aber nach dem Willen der 75-jährigen Rentnerin gehandelt haben.
Die Kammer hielt das für unglaubwürdig. Sie folgte damit dem Tathergang, wie ihn die Angeklagte selbst in einem anonymen Brief nach der Tat geschildert hatte. Demnach hätte das Opfer nur einen Schluck aus dem Giftcocktail genommen, der den sanften Tod herbeiführen sollte, dann aber den Becher weggeschleudert und entschieden, doch nicht sterben zu wollen. Wütend habe die Angeklagte daraufhin die Rentnerin zu Boden geworfen und eigenhändig getötet. Später erzählte die Angeklagte eine andere Version: Der Becher sei heruntergefallen, woraufhin die Rentnerin sie gebeten habe, sie zu erwürgen oder mit einem Stein zu erschlagen. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre Haft wegen Totschlags gefordert, die Verteidigung auf zwei Jahre auf Bewährung wegen Tötung auf Verlangen plädiert.
Als strafmildernd wertete das Gericht, dass die Tat im Affekt begangen worden sei. „Sie war nicht mehr Herrin ihrer Gefühle und Handlungen“, sagte der Richter und erklärte das mit einer „erheblichen Erwartungshaltung“, die sich aus der Vorgeschichte ergeben hätte. So hätte sie die Tat zweimal mit der Rentnerin auf Ausflügen geprobt und alles bis ins Detail geplant. Verstärkt worden sei die Erwartung durch psychische Dispositionen ihres Charakters. Das Gericht schilderte die Angeklagte als fürsorglich, hilfsbereit und mitleidsvoll, mit einer Neigung zur Hysterie, Übertreibung und Inszenierung. Wozu noch ein Schuss Narzissmus gekommen sei.
So ist es eine alte, uralte Geschichte, die in Stade verhandelt wird. Die Geschichte, dass der selbstverliebte Wille zum Guten Ungeheuer gebiert.MAXIMILIAN PROBST