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Archiv-Artikel

Arbeitslose müssen auf wärmeres Wetter hoffen

Kölner ALG-II-Bezieher bekommen ihre Heizkosten nur bis zu einer Obergrenze von 1,30 Euro pro Quadratmeter erstattet. Dabei hatte die Sozialdezernentin im vergangenen Jahr wiederholt betont, in den ersten sechs Monaten würden die vollen Unterkunftskosten übernommen

Köln taz ■ Auch wenn es derzeit draußen bitterkalt ist: Die Kölner Hartz-IV-Betroffenen sollten besser sparsam heizen. Sie bekommen nämlich maximal 1,30 Euro pro Quadratmeter an Heizkosten erstattet. Für viele Betroffene heißt das: Sie müssen einen Teil ihrer Heizkosten aus dem kargen Regelsatz bestreiten. Wie viele Kölner von der Regelung betroffen sind, kann man bei der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) aus Stadt und Arbeitsagentur, die seit Januar in Köln für die Umsetzung von Hartz IV zuständig ist, nicht sagen. Von den laufenden 1.100 Widerspruchsverfahren gegen ALG-II-Bescheide in Köln habe aber ein „gewisser Anteil“ mit den Heizkosten zu tun, gibt Ingeborg Hans, stellvertretende ARGE-Geschäftsführerin, zu.

Eines dieser Verfahren hat Sabine K. angestrengt: Ihr zahlt die ARGE monatlich 12,78 Euro weniger, als ihre Warmmiete beträgt. Dabei kann sie nichts daran ändern, dass der Vermieter ihren Heizkostenanteil bei 30 Quadratmetern mit 50 Euro außergewöhnlich hoch ansetzt. „Ich heize kaum“, beteuert sie.

Trotzdem wurde ihr Widerspruch gegen den ALG-II-Bescheid vor knapp zwei Wochen „als unbegründet zurückgewiesen“, wie es im Antwortschreiben der ARGE heißt, das der taz vorliegt. Sabine K. ist empört: „Ich habe mich auf die Aussage der Sozialdezernentin verlassen, in den ersten sechs Monaten würden die vollen Wohnkosten übernommen.“

Tatsächlich hatte Dezernentin Marlis Bredehorst im vergangenen Jahr – unter anderem auf der Kölner Montagsdemo – wiederholt versichert, die Behörden würden zumindest zu Beginn die vollen Mietkosten für ALG-II-Bezieher erstatten. Im Dezember wurde dann bekannt, dass in manchen ALG-II-Bescheiden offenbar doch Abzüge gemacht werden.

Die ARGE begründete das mit einer städtischen Richtlinie, nach der die Obergrenze bei der Erstattung von Heizkosten bei 1,30 Euro pro Quadratmeter liege. Die Sozialdezernentin erklärte dies allerdings im Dezember gegenüber der taz als einen „Fehler“. In den ersten sechs Monaten würden Wohn- und Heizkosten sehr wohl voll erstattet. Auf diese Aussage hin legte Sabine K. Widerspruch ein – erfolglos, wie sich zeigte.

Jetzt will auch Bredehorst von einer vollen Erstattung der Heizkosten nichts mehr wissen. Tatsächlich gebe es dafür von Anfang an eine „Obergrenze“, bestätigt sie der taz. Das sei auch aus „umweltpolitischen Gründen“ eine sinnvolle Regelung. Bei der ARGE findet man das auch gar nicht problematisch. „Normalerweise“ müssten die Betroffenen damit auskommen, meint Hans. „In Ausnahmefällen wie Krankheiten gibt es aber trotzdem die Möglichkeit, höhere Heizkosten geltend zu machen“, erklärt die ARGE-Frau.

Fraglich ist allerdings nicht nur, ob die 1,30-Euro-Obergrenze bei steigenden Energiekosten – und dem strengen Winter – wirklich ausreichend ist. Umstritten ist auch die gesetzliche Grundlage für die Kölner Richtlinie. Beim Kölner Arbeitslosenzentrum ist man nach wie vor der Ansicht, das Gesetz schreibe für die ersten sechs Monate eine volle Übernahme der Unterkunftskosten – inklusive Heizkosten – vor. „Die 1,30-Richtlinie darf erst danach angewandt werden“, sagt Arbeitslosenberater Bernd Mombauer. Auch Helga Spindler, Juristin für Arbeits- und Sozialrecht an der Uni Essen, hält Kürzungen bei Unterkunft und Heizung in den ersten sechs Monaten für nicht statthaft. Dagegen weist Bredehorst darauf hin, dass sich die 6-Monate-Regel im Paragraph 22 des Sozialgesetzbuchs II lediglich auf die Unterkunftskosten bezieht. Leistungen für Heizkosten würden dagegen nur gezahlt, „soweit diese angemessen sind“.

Sabine K. überlegt jetzt, ob sie den letztmöglichen rechtlichen Schritt wagen und vors Sozialgericht ziehen soll. „Bevor ich das mache, muss ich mir erst einmal Rat holen, wie die Aussichten sind.“ SUSANNE GANNOTT