: Herr der Hirne
Hercule Poirot ermittelt wieder: Beim Hörspiel-Theater im Theaterhaus Mitte werden Gesten und Ressourcen gespart
Es war einmal ein Kollege. Der durfte schon damals (ungefähr vor zwanzig Jahren) zu den großen Inszenierungen, als die Autorin dieses Textes höchstens Theater in Kreuzberger Hinterhöfen als Besprechungsauftrag bekam. Neid war im Spiel und Überraschung, als der Kollege mir eines Tages anvertraute, sich in Hinterhöfen wohler zu fühlen als bei den großen Spektakeln.
Er hat damit Ernst gemacht. Zusammen mit seiner Frau Christine Marx spielt Klaus Nothnagel Theater in kleinen, unaufwendigen Formaten. Sie sind stolz, dass ihr Lesetheater mittlerweile seit 1997 besteht, ohne Zuschüsse, und 23 Produktionen im Repertoire hat, unter anderem mit Texten von Charles Dickens, Balzac, Kästner und Kleist. Inszenierung und Produktionsweise setzen auf Minimalismus: drei Schauspieler mit Textbüchern und ein Musiker, wenig Proben, Raum für Improvisation, ohne Regisseure und dramaturgische Überbauten. Trotz der langjährigen Erfahrung spielt Christine Marx mit dem aufgeregten und schüchternen Charme einer Enthusiastin, wie in den Salons eines fernen Bildungsbürgertums. In den routinierten Ansagen von Klaus Nothnagel spürt man dagegen den langjährigen Journalisten und Radiomoderator. Zusammen erfinden sie ein Theater, in dem Dilettantismus und Professionalität noch nicht voneinander geschieden sind. „Hörspiele zum Zugucken“ nennen sie die Form.
Zurzeit steht wieder eine Kriminalklamotte auf dem Programm, zwei Geschichten um Hercule Poirot, der genüsslich Sherry schlürfend Juwelendiebe überführt und Mörder deckt, die sein Mitgefühl haben. Die Spannung ist so gut dosiert wie zu der Zeit, als man zum Kriminalhörspiel noch Socken stopfte. Der Schnäuzer und die Kniebundhosen des Hercule Poirot stehen seinem Darsteller Klaus Nothnagel ausnehmend gut und noch besser dessen Abneigung gegen überstürzte Aktionen. Der Detektiv löst seine Fälle zurückgelehnt; das passt zu einem Theaterspiel, das fast alle Bewegung als überflüssig gestrichen hat und mit wenigen charakteristischen Handgriffen auskommt.
Wer zu Agatha Christie greift, will schließlich etwas Verlässliches. Die „Hörspiele zum Zugucken“ können darauf setzen, dass der Zuschauer den Rest schon ergänzt; ein Häubchen hier und eine Brille da reichen, die gekränkte Zofe und das pampige Dienstmädchen, beide von Christine Marx gelesen, zu unterscheiden. Das Klischee wird zu Kapital, das weitere Ausführungen spart. So schont man Ressourcen. KATRIN BETTINA MÜLLER
Bis Ende März jeden Dienstag, 20 Uhr, im Theaterhaus Mitte