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Archiv-Artikel

Keine Geschäfte mit den Mullahs

SANKTIONEN Deutsche Politiker fordern eine Wende in der Exportpolitik mit dem Iran. Sie kritisieren die Ausrüstung des Regimes mit Überwachungstechnologie von Siemens

Von GB

BERLIN taz | Der CSU-Abgeordnete Christian Ruck ist empört über die Lieferung von Überwachungstechnologie durch den Siemens-Konzern an das iranische Regime. „Wenn Siemens Material geliefert hat, das zur Unterdrückung von Regimegegnern genutzt wird, kann ich das nicht billigen“, sagte der erklärte Vertreter einer konservativ-wirtschaftsfreundlichen Politik zur taz. Die Diktatur im Iran zu unterstützen „liegt nicht in deutschem Interesse“, sagte auch sein CDU-Kollege Philipp Mißfelder. Die Grüne Kerstin Müller verurteilte die Lieferung an eine Diktatur, und der Liberale Werner Hoyer verlangte neue Handelsbeschränkungen. Die Bundesregierung setzt stattdessen auf eine Art Entmutigung und fordert von deutschen Unternehmen, „sich selbst zu beschränken“. Die SPD-Politikerin Uta Zapf sagte zur taz: „Moral kann man von den Firmen nicht erwarten.“ Alle Länder operierten ja bei den Exporten am Rande der Kriminalität. Noch 2005 hatten deutsche Firmen Waren im Wert von 4,4 Milliarden Euro in den Iran geliefert, 12 Prozent mehr als 2008. Im ersten Quartal 2009 ist das Handelsvolumen mit dem Iran um 22 Prozent eingebrochen.

Im Iran geht der Machtkampf weiter. Der offiziell unterlegene Oppositionskandidat Mir Hossein Mussawi fordert weiterhin Neuwahlen. Den Kompromissvorschlag des Wächterrats, 10 Prozent der Stimmen zu überprüfen, lehnte er ab. Eine Annullierung der Präsidentenwahl sei „die geeignetste Lösung, um das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen“, schrieb Mussawi auf einer Internetseite. Ähnlich äußerte sich der ebenfalls unterlegene Kandidat Mehdi Karrubi auf der Internetseite seiner Partei Etemad Melli.

Zur weiteren Verschärfung der Krise in den Beziehungen zum Westen trug die Festnahme von neun örtlichen Mitarbeitern der britischen Botschaft bei. Einige wurden am Sonntag wieder freigelassen, wie das britische Außenministerium mitteilte. Ihnen wurde vorgeworfen, in die Proteste gegen den Wahlausgang verwickelt zu sein.

Auf internationale Appelle zur Achtung der Menschrechte reagierte Irans Präsident Ahmadinedschad am Wochenende scharf. „Diesmal wird die iranische Nation entschieden und klar antworten, sodass ihr [der Westen] beschämt seid und bereut“, sagte Ahmadinedschad am Samstag. Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, klassifizierte die Äußerungen westlicher Politiker gar als „idiotische Bemerkungen“.

Nach Augenzeugenberichten terrorisieren die Bassidschi-Milizen die Einwohner Teherans mit nächtlichen Razzien. Wie Amnesty International und Human Rights Watch mitteilen, dringt Paramilitär in Häuser ein und schlagen die Bewohner zusammen. Auch vor Krankenhäuser würden Milizionäre verletzte Demonstranten abpassen, um sie zusammenzuschlagen. In Frankfurt und Hamburg demonstrierten am Wochenende knapp 2.000 Menschen gegen den „Staatsterror im Iran“. GB

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