EuGH will kein WTO-Büttel sein

Der Europäische Gerichtshof befindet, dass EU-Recht nicht an den Normen der Welthandelsorganisation gemessen werden darf. Deren Beschlüsse müssten politisch mit Verhandlungen oder Sanktionen durchgesetzt werden

FREIBURG taz ■ Die Befürworter einer schnellen Liberalisierung des Welthandels haben gestern einen Rückschlag hinnehmen müssen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg lehnte es ab, das Recht der Welthandelsorganisation WTO in Europa durchzusetzen. Dies muss deshalb weiterhin durch Verhandlungen zwischen Regierungen erfolgen.

Im konkreten Fall hatte der belgische Bananenimporteur van Parys geklagt. Er wollte mehr Bananen aus Lateinamerika importieren, als die EU zuließ, und berief sich darauf, dass die EU-Bananenmarktordnung schon zweimal von einem WTO-Streitschlichtungsausschuss als Verstoß gegen WTO-Recht eingestuft wurde.

Doch der EuGH entschied gestern, dass die WTO-Regeln „grundsätzlich nicht zu den Normen gehören, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Handlungen der EU-Organe misst“. Nur wenn EU-Recht explizit auf WTO-Vorschriften verweise, könnten diese über den EuGH eingeklagt werden.

Damit führt der EuGH die restriktive Linie fort, die er schon früher gegen über dem WTO-Vorläufer Gatt eingenommen hatte. Damals argumentierten die EU-Richter, dass Gatt-Beschlüsse nicht gegen den Willen der Betroffenen umgesetzt werden können. Das gilt bei der WTO nicht mehr. Beschlüsse der WTO-Streitschlichtungsgremien sind verbindlich und von den Staaten eigentlich zu befolgen.

Deshalb hatte der unabhänggige Generalanwalt am EuGH, Antonio Tizzano, in seinem Schlussantrag eine Wende der Rechtsprechung gefordert. Der EuGH müsse WTO-Recht zumindest dann durchsetzen, wenn es von einem WTO-Schlichtungsgremium für einen bestimmten Fall konkretisiert ist.

Doch der EuGH blieb hart – mit neuer Begründung: Der EuGH wolle den EU-Gremien, so hieß es gestern, nicht die Möglichkeit nehmen, Streitfälle auf dem Verhandlungsweg auszuräumen. Dies wäre aber der Fall, wenn betroffene Unternehmen und Einzelpersonen über den EuGH eine vollständige Umsetzung der WTO-Schlichtungs-Entscheidungen erreichen könnten. Auch in der seit 1994 existierenden WTO habe die Streitbeilegung durch Verhandlungen große Bedeutung, so der EuGH. Außerdem verwiesen die EU-Richter darauf, dass auch bei den „wichtigsten Handelspartnern der Gemeinschaft“, gemeint sind wohl unter anderem die USA, WTO-Normen nicht vor innerstaatlichen Gerichten durchgesetzt werden können. Solange es hier keine Gegenseitigkeit gebe, bestehe die Gefahr, „dass es zu einem Ungleichgewicht bei der Anwendung der WTO-Regeln kommt“. Damit gilt auch weiterhin: Die Beschlüsse von WTO-Schlichtungsgremien sind zwar verbindlich, können aber nur durch Handelsanktionen und ähnliche zwischenstaatliche Druckmechanismen durchgesetzt werden. CHRISTIAN RATH