unterm strich :
Der als „B 9“ vertriebene berühmte Bauhaus-Hocker von Marcel Breuer muss einem Gerichtsurteil zufolge in die Schrottpresse. Die niedersächsische Firma tecta darf das schlichte Stahlrohrmöbel nicht mehr verkaufen und muss alle Bestände vernichten, entschied das Düsseldorfer Landgericht am Mittwoch. Das Unternehmen Knoll International, das den 1925 von Breuer entworfenen Hocker unter dem Namen „Laccio“ vertreibt, habe die älteren Rechte an den Möbeln des Bauhaus-Meisters (1902–1981).
Die Stahlrohrmöbel sind bis heute das erfolgreichste Produkt des Bauhauses und zugleich der kräftigste Beleg für das Funktionieren des Bauhaus-Anspruchs: dass Kunst, Gestaltung und industrielle Produktion sehr wohl zusammengehen und neue Märkte schaffen können. Begleitet wurde diese Idealvorstellung allerdings von Anfang an von einem Schatten, der dem kollektiven Geist der Bauhausschule zuwiderlief: Der Streit um Urheberrechte und Lizenzen ist ungefähr so alt wie der Gedanke an die Stahlrohrmöbel selbst. Marcel Breuer, Leiter der Möbelwerkstatt im Dessauer Bauhaus, hatte sich 1925 als Erster mit Stahlrohr als Bauteil für einen Stuhl beschäftigt. Der Architekt Mart Stamm erfand 1926 einen hinterbeinlosen Stuhl aus Glasrohr und erst Mies van der Rohe gestaltete dann den Freischwinger. Für Stamm führten Prozesse um Urheberrechte zu Lebzeiten zu Verfolgungswahn.
Das Urteil im Fall des Hockers ist noch nicht rechtskräftig. Tecta kündigte an, in Berufung zu gehen. Tecta (Lauenförde) muss dem Richterspruch zufolge sogar alle Gewinne, die aus dem Verkauf von „B 9“ und seinem Pendant, dem Tischchen „C 4“, angefallen sind, an Knoll abführen. Immerhin vermarkten die Niedersachsen das Möbel seit 1982. Sie sehen sich im Besitz der Rechte, weil das Unternehmen mit dem Berliner Bauhaus Archiv einen Lizenzvertrag abgeschlossen hatte, der auf einer Vereinbarung mit der Witwe Breuers fußt.
Knoll konnte dagegen Verträge mit Marcel Breuer persönlich aus den 60er-Jahren vorlegen. Damals hatte die italienische Firma Gavina die Hocker-Rechte für 106.000 US-Dollar erworben. Später war Gavina von Knoll übernommen worden. Tecta-Gesellschafter Axel Bruchhäuser zeigte sich trotz des Urteils zuversichtlich. Inzwischen liege ein Schreiben von Dino Gavina vor, der damals den Vertrag mit Breuer schloss. Gavina bestätige, dass die Verträge damals nur eine Laufzeit von zehn Jahren vorsahen. Opfer des Urteils seien vor allem die Breuer-Erben, denen als emigrierten Juden nun von einem deutschen Gericht erneut die Lizenzeinnahmen verwehrt würden.