: Na, wie geht‘s uns denn heute?
Ist das Krankenhaus um die Ecke bald Vergangenheit? Zwei Studien prophezeien ein Kliniksterben. Für Landesregierung und Gewerkschaft ist das Panikmache der privaten Krankenhaus-Betreiber
VON KLAUS JANSEN
Das Krankenhaus in Wetter hat geschlossen. In Bad Salzuflen konnte selbst ein Bürgerbegehren nicht verhindern, dass die örtliche Klinik zumacht. Überall in der Region stehen Krankenhäuser unter Kooperations- und Rationalisierungsdruck: Zwei wirtschaftsnahe Studien prophezeien nun sogar ein flächendeckendes „Kliniksterben“.
Zehn Prozent der rund 470 Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen werden laut einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen bis zum Jahr 2010 Insolvenz anmelden müssen. Grund dafür sei eine zu geringe Kapitalausstattung, enge Budgetierung der Träger und mangelnde Investitionen des Landes, interpretiert die Krankenhausgesellschaft NRW als Auftraggeber der Untersuchung. Für deren Präsident Johannes Kramer (CDU) sind die Auswirkungen fatal: Die „wirtschaftliche Strangulierung“ führe dazu, dass Personal abgebaut werden müsse, sagte Kramer gestern. Das Ziel der Landesregierung, durch einen Masterplan Gesundheitswirtschaft allein im Ruhrgebiet mittelfristig 40.000 Arbeitsplätze zu schaffen, könne „nicht im Ansatz im Krankenhausbereich“ erreicht werden.
Tatsächlich schließen in NRW jährlich Kliniken: Im Jahr 2003 mussten landesweit 27 Häuser dicht machen. Ob allerdings wirklich, wie es eine Studie der Unternehmensberater Ernst und Young prognostiziert, bis zum Jahr 2020 jedes vierte Krankenhaus wegfällt, wird von vielen bezweifelt. „Krankenhäuser haben gute Chancen, wenn sie die Herausforderungen der Zeit erkennen und sich darauf einstellen“, sagt NRW-Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD). Zum Überleben sei aber Spezialisierung und und eine „Optimierung der Wirtschaftlichkeit“ notwendig, so die Ministerin: „Für NRW mache ich mir keine Sorgen.“ Fischers Sprecher Kai von Schönebeck betont zudem, dass von dem für die Gesundheitsbranche prognostizierten neuen Jobs ohnehin nur sehr wenige in der stationären Betreuung entstehen sollen.
Auch die Gewerkschaft ver.di warnt vor Panikmache. „Natürlich gibt es einen Trend zur Umstrukturierung“, sagt Bernd Tenbensel, Leiter der Fachgruppe Krankenhäuser in NRW. Auch der Trend zur Privatisierung sei nicht umzudrehen, „man sollte allerdings keine Horroszenarien verbreiten“. Wenn wirtschaftsnahe Institutionen mehr Geld von Land und Beitragszahler forderten, sei das zwar verständlich, weil der Staat die Betreiber tatsächlich an der kurzen Leine halte – es führt laut Tenbensel aber auch kein Weg daran vorbei: „Das alte System mit weniger strenger Budgetierung war eine Geldverbrennungsmaschine.“
Bedrohlich ist nach Auffassung des Dienstleistungsgewerkschaftlers nicht ein mögliches Sterben in der Fläche, sondern eine „Selektion des Patientengutes.“ Künftig würden private Betreiber die Behandlungen übernehmen, die am meisten Rendite bringen – und der Staat müsse die „multimorbiden Patienten“ alimentieren. „Bei Spezialoperationen könnte es dann wie in Holland zu langen Wartelisten kommen“, befürchtet Tenbensel. „Es sei denn, der Tod regelt das Problem von allein.“