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Archiv-Artikel

DIE EU-DIENSTLEISTUNGSRICHTLINIE IST EINSTWEILEN VOM TISCH Da schwächelt die Kommission

Wie ein Zögling, der gegen seinen Willen zur Beichte gezwungen wird, trat Binnenmarkt-Kommissar McCreevy gestern vor der Presse auf. Sein Chef Manuel Barroso hatte ihn geschickt, um deutsche und französische Zweifel an der Dienstleistungsrichtlinie auszuräumen. In beiden Ländern baut sich Widerstand auf. Während die Gewerkschaften um heimische Arbeitsplätze, Mindestlöhne und Sozialstandards fürchten, lehnen Globalisierungsgegner das Konzept eines unreglementierten Binnenmarkts insgesamt ab.

Doch der Auftritt des irischen Kommissars dürfte weder Schröder und Chirac noch die anderen Kritiker besänftigen. McCreevy weigerte sich nämlich zu sagen, wie weit er deren Bedenken aufgreifen will. Statt konkreter Änderungsvorschläge offenbarte der Ire unfreiwillig eine ganz andere Erkenntnis: Nach hundert Tagen ringt Barroso um die Richtlinienkompetenz und sein Team zieht nicht an einem Strang. Diese Botschaft gefällt Schröder und Chirac vielleicht noch besser als das Signal, die Dienstleistungsrichtlinie werde entschärft. Interne Streitereien schwächen die EU-Kommission und gewähren den Regierungschefs der großen Länder mehr Spielraum, ihre Interessen im Brüsseler Kräftespiel durchzusetzen. Barroso, der das Stigma des Verlegenheitskandidaten nicht loswird, zeigt ein weiteres Mal, dass er an der kurzen Leine der Regierungschefs hängt.

Und was bedeutet das alles nun für die viel gescholtene Dienstleistungsrichtlinie? Sie wird in den Brüsseler Mühlen klein gemahlen. Am Ende wird sie mehr Ausnahmen enthalten als Regeln und mehr bürokratische Vorschriften bringen als abbauen. Dann haben in Deutschland diejenigen triumphiert, die um den Dienstleistungssektor einen Schutzwall errichten wollen. Ein solcher Wall hält aber nicht nur die anderen fern, er sperrt auch die eigenen Anbieter ein. Nur zwölf Prozent Marktanteil haben Dienstleistungen derzeit am deutschen Export. Verlockende neue Märkte in den Nachbarländern bleiben deutschen Unternehmern auch in Zukunft verschlossen. Und neue Arbeitsplätze damit auch. DANIELA WEINGÄRTNER